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Freitag, 25. Dezember 2015

Schallplatten, der ganz normale Wahnsinn der industriellen Kulturproduktion


Ich bin nicht nur Musikfan. Nein, viel Schlimmer, ich bin Plattensammler. Davon gibt es dann noch einmal verschiedene Typen. Ich gehöre zu den Schatzsuchern. Und gehöre damit vermutlich zu den irrationalsten Typen unter den Plattensammlern. Aber es macht mir Spaß, mich durch Kisten schmutziger Platten zu graben, immer in der Hoffnung die eine Platte zu finden, von der ich vielleicht noch nicht einmal weiß, dass sie existiert. Momentan ruht dieses Hobby ein bisschen. Aber wenn ich in anderen Städten bin, nutze ich die Gunst der Stunde. In Kassel mag ich besonders das Lost & Found (hat nichts mit dem gleichnamigen Label zu tun). In Kassel habe ich ein paar Tage bei meiner Schwester im Kreise der Familie verbracht. Selbstverständlich bin ich auch für ein paar Stunden in den Plattenläden abgetaucht. Ich war nicht so supergut drauf und es sah auch so aus, als würde es nur ein okayer Einkauf werden. Ein paar Platten die man mitnimmt, weil sie günstig sind, aber die man nicht unbedingt braucht. Gefreut habe ich mich, weil ich von der Endtroducing von Dj Shadow eine Platte in ner Papiertasche gefunden habe. Mit der Platte verbinde ich meine Anfangszeit in Bremen. Von Hilko habe ich mir die Platte auf eine MiniDisc gebrannt und habe wiederholt Fahrradtouren um den Werdersee gemacht, mit Dj Shadow im Ohr. Egal, besser wäre es natürlich gewesen, wenn ich nun vor zwei Tagen beide Platten der Doppel_Lp gefunden hätte. Aber dann wäre sie wohl auch in der Originaltasche gewesen und hätte einiges gekostet. So also für kleines Geld, wenigstens die eine Platte. Beim durchhören habe ich ein nahe liegenden 7" Plattenhaufen umgekrempelt. Mir wäre beinnahe das Herz stehen geblieben, als ich die Single zu Funnel of Love von Wanda Jackson dazwischen gefunden habe. Ich liebe das Lied aber die Single ist selten und bisher hatte ich sie noch nie irgendwo angeboten gesehen. Außer auf Discogs aber da war sie mir zu teuer gewesen. Ich kannte also das Lied schon und trotzdem ist der Blitz eingeschlagen und die Hände wurden zittrig. Gleich als nächstes die Platte aufgelegt. Und..........kurz nach dem Anfang ist sie gesprungen. :-( Mist, dass war ein bummer. Noch einmal von Anfang gespielt und wieder gesprungen. Buhuhu. Für normal erhalten hätte ich bestimmt auch 15€ gezahlt. Aber so war mein Enthusiasmus doch erheblich gebremst. Anderseits konnte ich mich doch selbst dabei beobachten, wie ich mir den Kauf schön geredet habe. Letztlich ist es besser eine geliebte Platte von nicht so guter Qualität zu besitzen, als gar nicht. Und ich hatte noch einmal Glück, an diesem Tag, denn der gute Mann bei L&F hat mir die Single zu meinem restlichen Kauf so mitgegeben. Das ist mir nicht zu ersten Mal passiert. Ich glaube, dass ist auch so eine Standardhandlung von Plattenhändlern. Selber ticken sie ja ähnlich, wie ihre Kundschaft. Sie schmeicheln also dem Wahnsinn der Kundschaft, geben diesen Futter, wissen aber auch, es rechnet sich Hintenrum. Der Affe wird für das Stückchen Zucker, immer wieder zurückkehren. Und wie gesagt, der Laden ist so aufgebaut, dass man irgendetwas bestimmt findet, was an einem hängen bleibt. Jetzt bin ich wieder in Berlin, und habe somit die Möglichkeit mal durch die Platten zu hören, welche es von Kassel nach Berlin geschafft haben. Über die Wanda Platte, habe ich mal mit meinem Zaubertuch gewischt. Naja, der eigentliche Zauber besteht in der Waschflüssigkeit und auch der größeren Toleranz meines Schallplattensystems, denn ohh Weihnachtswunder, die Platte springt hier nicht! Wenn ihr euch also wie meine Eltern fragt, woraus sich mein Wahnsinn speist, dann wisst ihr nun, aus Geschichten wie diesen. Etwas seriöser recherchiert, ist der Wahnsinn hier in dem Buch Plattenkisten vom Ventil Verlag, dass ich mir von meinen Eltern gewünscht und geschenkt bekommen habe. Ich glaube für Diggers ist das alles nicht neu, was darin steht aber die Bilder im Buch sind sehr gut und sehr präsent. Ein Interview mit Plattenpedro ist auch drin. Sein Laden habe ich vor fier oder fünf Jahren in Berlin entdeckt und er gehört zu den verrücktesten, die ich je gesehen habe. Allerdings ist das ein Laden, in den geht man, um eine bestimmte Auflage von Platte XY zu kaufen. Und so suche und kaufe ich eben eher selten, deswegen war ich auch erst einmal dort. Und von mir um die Ecke liegt er auch nicht.
Was ich an dem Buch übrigens nicht so gut finde, dass es keinen "Artikel" gibt, der es schafft das Schallplattenphänomen systematisch zu erfassen und damit für Kritik öffnet. Das ist mir wichtig und damit wäre dann auch umrissen, welche Formen das Nischenprodukt Schallplatte oder auch andere analogen Medienträger in Zukunft annehmen werden. Jedenfalls unter kapitalistischen Bedingungen. Der Zauber des Diggens würde damit nicht verloren gehen. Aber vielleicht würde dadurch die Frage in den Fokus geraten, wie wir in Zukunft leben wollen. Das ist nicht immer ein explizites Thema von Kulturproduktion, wie bspw. dem musizieren, aber immer doch auch ein implizites. 

Dienstag, 14. Januar 2014

Und weiter die Theorie De:Bug, Marshall MacLuhan und Leistungsgesellschaft



Es schadet nicht, sich mit heutigen oder auch vergangenen Ideologien auseinanderzusetzen. Und ich will hier kurz ein paar Vorlagen aufgreifen und weiterstreuen, denen ich den letzten Tagen begegnet bin. 
Zunächst ein Interview mit Lars Distelhorst beim Deutschlandradio, zu seinem Buch: Leistung – Das Endstadium der Ideologie. (transcript) Im Interview stellt Distelhorst erst einmal nur den ideologischen Charakter des Leistungsbegriff heraus. Zwischendurch kann der Eindruck entstehen, als würde diese Ideologie für sich selbst existieren und wenn das schon nicht, dann zumindest für alle Menschen ein bisschen. Moderation und Distelhorst stellen gemeinsam fest, dass die Welt nicht mehr in gutes Proletariat und böses Kapital getrennt werden kann und jeder sich wie ein Kapitalist verhalten muss. Das man aber im Kapitalismus gezwungen ist, selbst wie ein Kapitalist zu handeln, ist weder neu, noch kann es als ein Zeichen einer grundlegend neuen Ideologie herhalten. Dass die Mensch fortwährend zur Leistungserbringung gezwungen sind und dies in einen scheinbar größeren Maße als vorherige Genrationen (was berechtigter Weise bezweifelt werden kann), könnte auch als Verunsicherung durch die Umstrukturierungen der globalen Arbeitssphären gelesen werden. Vor allem interessant fand ich dagegen das Ende des Interviews, wo Distelhorst sagt, dass die Gesellschaft kein Thema mehr hat, die Nichts von Bedeutung verhandelt. Warum darauf mit einer intellektuellen Bescheidenheit reagiert werden muss, erschließt sich mir nicht ganz. Er meint dies wohl vor dem scheitern der vergangenen Ideologien. Ich denke an Marx führt keine Wurst vorbei. Ob gewollt oder nicht, da muss man sich durchbeißen. Jedenfalls dann, wenn man ein genaueres Verständnis von Kosten und Nutzen der etablierten Ideologien haben möchte.

Auch die De:Bug hat die gute Tante Karl Marx bei ihren Überlegungen zu den fundamentalen Kränkungen bei Seite gelassen und sich mit Freuds Reduzierung zu frieden gegeben. Denn selbstverständlich stellt Marx Theorie eben eine solche Kränkung des modernen Selbstverständnisses dar, wie der Feminismus und Elfriede Jelinek etwas später. Seis drum, die De:Bug zeigt ganz gut, das Sascha Lobos seine eine Kränkung selbst nicht verstanden haben kann, wenn er jetzt hofft und verkündet die neue Medizin wird es richten. Schade nur, das Sascha Kösch eben auch nur in den Grenzen des Nationalstaats und damit dem Bestehenden träumt. Das ist jedenfalls anzunehmen, wenn die Technologie zur (legitimen) fünften Macht im Staate erhoben wird. Trotzdem kann man an seinem Artikel sehr lange rumdenken und tatsächlich ist das heute schon eine Leistung an sich. Bespw. was fundamentale Kränkung bedeutet und diese anzunehmen etc.

Zuletzt und das geht auf einen Hinweis auf Doc Ullmann zurück, eine Veranstaltung in der kanadischen Botschaft zu Marshall McLuhan: transmediale Marshall McLuhan Lecture 2014 mit Douglas Coupland. Das ganze findet am 28.01. 2014 um 18.30h statt. Ich muss zugeben das sich mir der Umstand, dass das Medium die Botschaft sei, sich mir nie wirklich erschlossen hat. Also eine gute Gelegenheit sich mit dessen Arbeiten auseinander zu setzen.

Mittwoch, 22. Mai 2013

Maschinenkunst Bremen – mit TAP909

Also ganz so zahlreich stehen die Exemplare jetzt nicht bei mir in der Bude rum, aber Adel – der neben Stig Inge die andere Hälfte des Live Impro Duos TAP909 ist – hat mir glücklicherweise bei seinem Berlin Besuch eine der Platten hier gelassen. 
Das ist schon gut zwei Wochen her, aber die Musik klingt immer noch fresh! Also warum sie nicht noch hier besprechen?
Bunker I-III, so der Name der Platte, ist schon ein kleines Unding und dies in vielerlei Hinsicht.
Zunächst, wieso kommt solche Musik gerade aus Bremen? Es gibt dort keine wirkliche Szene und mittlerweile auch keine richtige Location mehr für diese Musik. Okay, TAP909 funktionieren sicherlich auch im Galerie Kontext oder im Umfeld der "Kleinkunst", wenn man den Kulturbunker in Bremen mal als einen solchen Ort bezeichnen möchte. Zumindest reichen diese Orte und der Kulturbunker im besonderen aus, um eben jene Stimmung auf der Platte zu produzieren und einzufangen, denn dort wurde Bunker I-III tatsächlich aufgenommen. Ob in Form von zwei (drei) Sets, wie dies die Schallplatte nahe legt, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber ne richtig dicke Anlage wünscht man der Musik dann eigentlich doch und auch eine Veranstaltung, die bis in die Nacht und vlt auch in ein Acid Set hineinreichen darf. Ansonsten muss es der Kopfhörer tun. Aber das mindestens.
An und für sich beruhen beide Tracks auf eine ähnliche Instrumentierung. Adel hat mir geschrieben, dass das im wesentlichen die Roland 909 ist, was man bei Bunker III wohl am deutlichsten hört, ein 16-Kanal Mischer und verschiedene Fieldrecordings. Dazu kommen noch einige Effekte, Sequencer und noch ein bissl was oben drauf. Auch wenn kein Computer wesentlich an der Aufnahme beteiligt sein soll, höre ich doch zumindest eine einkommende E-Mail im Posteingang aus einem der Tracks heraus. Ich vermute, das wäre in einer Studioproduktion rausgeflogen. Aber muss auch nicht, so wird es zum Dokument der Live-Aufnahme-Situation. Mit dem Zugriff auf "Analog"Geräten entsprechen die beiden Jungs durchaus einem Trend in der elektronische Musik, der sich in den letzten beiden Jahren Bahnen gebrochen hat. 
Der Zugang zur Musik dagegen, hebt sich dennoch wohltuend vom elektronischen Einerlei ab. Vor allem weil hier mal keine Angst vor dem Geräusch oder auch Noise und auch nicht das Diktat 4tothefloor vorherrscht. Und das obwohl ich Adel, Stig Inge und ihrem Label ZCKR Records durchaus eine Affinität für Techno unterstellen würde. So jedenfalls meine Erinnerung an ihre Veranstaltungen, damals noch im Zucker Club. Aber vlt. ermöglicht den Jungs eben jener Zugang über die Techno Achse auch erst die Möglichkeit dem Noise oder der Geräuschmusik den Popappeal einzuhauchen, der die Platte so hörenswert macht. Jedenfalls für mich. 
Nun höre ich nicht wahnsinnig viel Noise Musik, eben weil man auch dort nur zu oft mit der Widerholung des ewig Gleichen konfrontiert ist. 
Umso verwunderlicher, dass auch die letzte Noise Platte – ohne eben jener biederen Selbstgefälligkeiten – die mir ans Herz gewuchert ist, ebenfalls aus Bremen kam. Das war die Onkel Kotze von Jan van Hasselt.
Wobei meine vorherige Aussage, dass es in Bremen keine Szene gibt, dadurch nicht wiederlegt ist, denn um das Wissen all dieser Einzelcharaktere umeinander, ist es meines Erachtens gar nicht alt zu gut bestellt. Aber vlt beweisen die Releases ja auch einfach, dass es auch so geht.
Zurück zu den beiden Tracks, die sich trotz ihr ähnlichen Instrumentierung doch deutlich voneinander unterscheiden. Ich bin wirklich großer Fan des schon genannten Bunker III Tracks. In diesem entwickelt sich aus einem Fortbewegungsgeräusch (vlt sogar zwei, wenn dass da im Hintergrund ein Helikopter ist) relativ langsam, ein einfacher, trockener, repetitiver Beat, der über die gesamte Länge des Tracks einer sehr schöne Dramaturgie, Dynamik und Metamorphose unterworfen ist oder sich in diese fügt. Ansonsten gibt es noch eine relativ klassische Klimaxentwicklung, alles ganz toll also.
Der zweite Track Bunker I-II ist so ein mäanderndes Drone Dingens, wo sich nach hinten raus ein paar Einzelsignale und Geräusche herausschälen. Zum Teil klingt das Ganze recht infernalisch, geht aber durch beschriebenes Ende irgendwie mit einem Augenzwinkern raus. Und das ist meist und auch hier sehr gut, wenn Musiker ihren Gegenstand nicht ganz so ernst nehmen bzw. dazu bereit sind mit einem bereits entworfenen Bild auch brechen zu wollen.
Mir macht es insgesamt den Eindruck, als würde da noch ordentlich was kommen können. Und es wäre sowieso wünschenwert, wenn das Duo und seine Musik auch in Zukunft eine konzertante oder welche Live-Aufführung auch immer finden würde. Ich steh gefährlich bei Fuß, wenn se dann hier ma in Berlin spielen würden.
Zum Schluß noch ein weiteres Live Set der Bengels.

TAP909 - SUN04 (live) by TAP909

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Mastered by Pole @ Scape Mastering, Berlin
printed by: Matthias Keller & Bernd Krönker (Cabinet Gold van d’Vlies)
Artwork by: Daniel Neubacher
Additional text on label (B) by: Sönke Busch
 

Mittwoch, 8. Mai 2013

Dem Arbeitsamt in die Suppe spucken

Wundert einen das Verhalten der sogenannten Arbeitsagentur? Natürlich nicht. Auch nicht, wenn sich deren Aktivitäten, wie in einem Fall kürzlich, gegen die eigene Mitarbeiterin richtet. Mehr dazu kann man hier lesen. Ich bin nicht wirklich davon überzeugt, das Petitionen im allgemeinen oder speziellen, etwas nützliches bewirken. Aber anderseits ist die Idee den ungeliebten Plumpser der Arbeitsagentur zukommen zu lassen auch irgendwie charmant. Wer also nicht Angst davor hat, dass Vater Staat sich alles merkt und denen die zu häufig nörgeln auf die Finger haut, der hinterlässt seinen guten Namen in der untenstehenden Petition.

Der Irre bin ich, der irrt auch.

Jeder Mensch hat eine Vorstellung davon was der Wahnsinn ist oder wie er aussieht. 
Im positiven Sinne  hat dies zur Folge, dass Menschen ein Problembewußtsein dafür entwickeln, welche individuellen Verhaltensweisen einem lebenswerten Leben entgegen stehen können. Dem eigenen Leben oder dem anderer. Im negativen Sinne führen diese Vorstellungen aber zu Stigmatisierung und dies vor allem, wenn psychische Probleme nicht in ihrem gesellschaftlichen Kontext gelesen werden.
Ich bin sehr froh, mich mit diesem Thema zu und in verschiedenen Etappen meines Lebens beschäftigt zu haben und dies auch immer noch tun dürfen. Die Freiheit nehme ich mir. Sozusagen. Oder wurde sie mir auferlegt? Ich kann mich noch erinnern, wie man als Mensch aus dem Dorf Treskow, mit der zwischen Treskow und Neuruppin liegenden Nervenheilanstalt in Verbindung gebracht wurde. Je nach Gehässigkeit war dies konotiert mit einer Unterbringung oder der Tätigkeit (zumindest der Verwandtschaft, weil ich ja ein Kind war) in dem Klinik Komplex.
Ich glaube, mich hat das nicht so sehr geärgert. Auch weil ich mir über die Dimension der dahinter liegenden Zuschreibungen keine Vorstellung machen konnte aber auch, weil das Krankenhaus dann doch zu weit weg war. 
Oder aber auch nicht. Die junge Frau L., die bei meiner Oma in einem quasi Fronenarbeitsverhältnis stand, war eine der Verrückten aus dem Irrenhaus, die stundenweise meine Oma besuchte und für sie im Garten und Hof arbeitete. Und dies fast Tag für Tag. Für mich war L. die liebevolle Gehilfin meiner Oma, die meine Schwester und mich, Schnatterinchen und Pitiplatsch nannte. Also nach den Figuren des Sandmanns der DDR. Hätte das Leben von L. damals schöner sein können? Bestimmt. Ist es das heute? Ich hoffe, weiß es aber nicht.
Was ich sagen will, ist, dass der Wahnsinn in seiner pathologischen Form bei uns zu Hause ein und aus ging. Später machte ich ein Praktikum in der Kinder und Jugendpsychatrie. Während des Studiums habe ich, wie es sich für Gesellschaftswissenschaftler_innen gehört, Überwachen und Strafen gelesen und auch die Beschäftigung mit Freud und Konsorten kam nicht zu kurz. Hätte aber sicherlich auch intensiver ausfallen können. Insofern hat sich bei mir durchaus ein Problembewußtsein vor allem für die politische Dimension der verschiedenen Auseinandersetzungen mit dem Wahnsinn entwickelt. Zu den mächtigsten Diskursen mit entsprechenden politischen Praxen, gehören sicherlich der medizinische und diesem quasi diametral gegenüberstehend, der populäre Diskurs der Allgemeinplätze oder auch des Allgemeinwissens. Ob damit aber das Verständnis bezüglich eben jener politischen Dimension ebensoweit entfernt liegt, darf und sollte ruhig bezweifelt werden.
Ohne das hier belegen zu wollen, lässt sich zunächst feststellen, dass der Boom der Neuro(-pseudo-)wissenschaftlichen Perspektive durchaus seinen Niederschlag in der öffentlichen Meinung gefunden hat und als dominierend bezeichnet werden muss. Für den populären-medialen Bereich vlt. in einer abgemilderten Form, weil ja das Gute bekanntlich immer in der Mitte der Extreme zu finden ist. Aber bei gleichzeitiger Anerkennung eben jener wissenschaftlichen und "dennoch" problematischen Prämissen.
Anlass einer (auch dieser) gegenwärtigen Auseinandersetzung ist die Veröffentlichung des Handbuches DSM-5.
Hier zunächst 1, 2, 3, 4 Quellen einer gängigen Kritik. Diese beschäftigt sich, um es kurz runter zu brechen, immer um das richtige Maß der klinischen oder medikamentösen Behandlung aber selten bis nie mit den theoretischen Vorraussetzungen und den folgenden Implikationen, noch um die gesellschaftlichen Ursachen einer wie auch immer gearteten "Disfunktionalität".
Es bleibt also die Frage dominant, was Normal/Natürlich ist (und somit auch was nicht). Dabei könnte ja sowohl das Kranke wie das Gesunde, das Verrückte wie das Normale als ein Teil eben jener Natürlichkeit (oder auch Zwangsläufigkeit) gesehen werden.
Ein fundamentaler Schritt in ein solches bessere Bewußtsein hat die Psychoanalyse beginnend mit Freud getan, in dem sie herausstellte, dass der Normalzustand im höchsten Fall ein Zustand ist, der theoretisch zu bilden wäre aber nicht zu erreichen ist. Ein Leben ohne Verletzungen und Kränkungen ist nicht zu machen und wäre auch nicht wünschenswert. Was nicht bedeutet, dass ein besseres Leben nicht möglich und eine aktualisierte Kritik nicht notwendig wäre. Das ganze Gegenteil ist der Fall aber auf der Grundlage eine ideologie-kritischen Analyse.
Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Medien wie Tagesschau.de einen Zustand beschreiben aber weder erklären noch wirklich hinterfragen können.
"Überproportional betroffen sind nach Angaben der Forscher Kinder besonders junger Eltern, Kinder von Eltern mit geringerem Bildungsniveau und Kinder von Geringverdienern.                                                                                                                   In bildungsnahen Haushalten werde über Ritalin eher kritisch nachgedacht. " 1
 Alleine diese Nachricht bietet soviel Sprengkraft, das sie locker für eine Stunde Gesprächsstoff bieten würde. Zum einen ist es interessant, dass die Praxis einer nicht näher bestimmten Schicht/Klasse anscheinend aus einem Mangel an kritischen Bewußtsein agiert und nicht z.B. an Möglichkeiten der Teilhabe. Gleichzeitig wäre interessant zu schauen ob die (ich nenne sie hier einmal) untere Mittelklasse der Techniker Krankenkasse, zu mindest im Bereich des kulturellen Kapitals schon zum gehobenen Mittelstand gezählt werden kann, im Gegensatz zu allgemeinen Krankenkassen wie AOK etc. Wo möglicherweise festzustellen wäre, das eben jene Klasse gar nicht mehr in den "Genuss" einer medikamentösen Behandlung kommt und sie wenn dann, tatsächlich lediglich der Ruhigstellung dient. Im Fall der TK und ihrem Klientel ist die Medikamentierung wahrscheinlich tatsächlich noch der Hoffnung entsprungen, den Abstand zur jeweils höheren Klasse quasi mechanisch zu verkleinern. Das dies vlt. dem/der einzelnen hilft aber nie einer Klasse an sich, dass nur so nebenbei.
Der Aspirant, die Aspirantin ist bei einem gelungenen Aufstieg dann aber wenigstens mit dem Vorwurf eines unkritischen Gebrauchs von Psychopharmaka konfrontiert.

Eine Linke Kritik ( es gibt sie Gottlob ;-) – hier z.B. in einem sehr lesenswerten Spezial der Jungle World 1, 2 und 3 – hat mir eigenen Problemen zu kämpfen. Denn bspw. aus der richtigen Analyse, wie hier von Roger Behrens:
"Das individuelle Empfinden korreliert mit der ärztlich-klinischen Diagnostik, den sozialen Normen, den öffentlichen Erwartungen und den Vorstellungen der anderen, schließlich auch mit dem ökonomischen Leistungsprinzip und der »gesunden« Bereitschaft, sich diesem möglichst störungsfrei und reibungslos zu unterwerfen."
, ließe sich auch ein Zwang zum Leiden ableiten. 
Auch wer in dem vermehrten Gebrauch von Medikamenten lediglich die Interessen der Pharma-Industrie gespiegelt sieht, verkennt unter Umständen den erhöhten Bedarf an diesen Medikamenten, respektive der veränderten Arbeitsbedingungen und Anforderungen. Sicherlich nicht den allgemeinen Zusammenhang, wie dies landläufig geschieht, aber vlt. doch die quantitativen historischen Unterschiede.
Sehr interessant ist übrigens, wie Tjark Kunstreich in seinem Artikel versucht die psychoanalytische Idee von der Wiederkehr des Verdrängten, am Beispiel der biologischen Psychatrie darzustellen. Diesem Kreislauf aber zu entgehen, braucht es zumeist der Gewalt einer äußeren kritischen Instanz. Von der biologischen Psychatrie ist dies nicht zu erwarten.

Sonntag, 27. Januar 2013

was tun? zeichen der krise.

Ich denke, dass der aktuelle homophobe backlash keineswegs auf Russland begrenzt ist oder eine Kritik daran, sich auf Russland reduzieren sollte. Auch wenn sich die "partikularen" Ereignisse – wie jetzt die furchtbare  Abstimmung in der russischen Duma – sich besser zur Mobilisierung nutzen lassen dürften, als die (womöglich) unübersichtliche Situation der gesellschaftlichen Gruppierungen und deren Bewegungen im heutigen Russland. Trotzdem, eine auf Russland zugespitze Kampagne wird das gewünschte Ziel eben jener Kritik weit verfehlen. 
Nicht zuletzt sind doch eben jene kritisierten Ressentiments, gegen alles was nicht zur eigenen (Vulgär-) Bürgerlichkeit gezählt wird  (Dazu zählt vmtl. all das, was die "deutsche" Linke/Linksradikale gemeinhin als Zivilgesellschaft bezeichnet und worin sie/wir uns eben auch selbst verorten.), auf die tatsächliche oder gefühlte Deklassierung der (nationalen) Identität und Minderung derer materiellen Grundlagen zurück zu führen. 
Gerade weil/wenn man sich selbst in einer anti-nationalen Ideengeschichte situiert, würde man im besten Fall über eine Kritik der als "eigen" bekannte Verhältnisse und deren Diskussion über nationale Grenzen hinweg, die Chance bekommen verstanden zu werden. Moralische Standards, so ehrenwert diese auch gemeint sind, schaffen dies ohne eine legitimierende und ausreichende Macht nicht.
Nun sollte man nur begrenzt Achtung vor etwaigen nationalen Gefühlen haben, unberücksichtigt bleiben sollten diese aber in keinem Fall. Und dabei sei nicht nur an die Vorraussetzungen einer gelungenen Kommunikation gedacht, sondern auch an die Latenz mit der nationale Vorstellungen und Konzepte in anderen identitären Projekten fortbestehen oder transzendieren.

Nimmt man die Vehemenz mit der die totalisierende Russlandkritik zum Teil in Deutschland geführt wird, gewinnt man ein Gefühl dafür, wie bedroht der eigene (erkämpfte) Standard ist oder als solches empfunden wird, bzw. wie kurz vorher man den vielfältigen Delegitimierungen "entgangen" ist. 
Es wäre nicht zu weit gedacht, wenn eben jene Bedrohung qua Projektion (auf Russland) beschwichtigt werden soll. Diese Überlegung, möchte ich nicht als einen (allgemeinen) Befund verstanden wissen. Sondern vielmehr als eine Ideenkonstruktion, von der sich bequem in den Osten und Westen schauen und diese gegebenenfalls zusammen denken lässt.

Insofern halte ich die ernsthafte Kritik der hiesigen heteronormativen Verhältnisse als beste Unterstützung des nun mehr kriminalisierten Gesellschaftsteils Russlands, der Lesben, Transen, Schwulen u.a.




Montag, 14. Januar 2013

Besser keine Gesundheitskarte

oder: Ich will so bleiben wie ich bin.

Mich hat meine Krankenkasse jetzt schon das dritte Mal angeschrieben, ich soll doch bei der neuen elektronischen Gesundheitskarte mit spielen. Ich habe mich aber nicht ohne Grund bisher geziert. Ich halte das ganze Ding für ein Glanzstück neuerer Biopolitik, die in den seltesten Fällen den zu Gute kommt, die Hilfe brauchen. Selbstverständlich würde ich mir das mit der Gesundheitskarte noch einmal überlegen, wenn dieses Bild hier oben gestattet wäre. 
Ich habe mich jedenfalls in meiner Not als erstes an meine Freunde gewendet, selbstverständlich via Facebook. Wo sonst?! Und alle diejenigen die etwas drauf geantwortet haben, fanden die eGK ähnlich Scheisse wie ich. Aber irgendwie wusste auch niemand richtig dagegen etwas zu machen. Am ehesten war da noch die Devise, wir sitzen das einfach aus. Aber das ist mir dann doch irgendwie auch zu wenig, denn ich halte das Ding wirklich für wenig spaßig. 
Es sei nur mal daran gedacht, das auf der Karte die falsche Blutgruppe vermerkt ist, und diese in einem Notfall nicht erneut geprüft werden würde. Die Folgen will und kann ich mir gar nicht ausmalen. Ich bin nämlich kein Arzt. Und ich habe auch keine Ahnung wie und ob die Ärzte die Karte in Zukunft nutzen werden.
Ich habe aber meine Überlegungen, also aus der Versicherten Perspektive, mal versucht auf digitales Papier zu bringen und habe diese als Einspruch gerade meiner Krankenkasse geschickt. Jetzt schaue ich was passiert. Ich werde also an dieser Stelle sicherlich noch mehr zu schreiben haben.
Es gibt aber bereits Initiativen, die dies größer und professioneller betreiben, als ich kleines Würstchen.
Zum Beispiel hier und auch das wunderbare Magazin Bioskop. Wer meinen Text, den ich hier hochgeladen habe, und den von der Musterklage bzw. Einspruch vergleicht, wird sehen, dass ich die explizite Formulierung der  Datensicherheitsbedenken rausgelassen habe. Obwohl diese implizit auch in meinem Text eine Rolle spielen. Ich habe mich stattdessen mehr mit der psychosozialen Bedeutung der eGK beschäftigt und halte diese auch für schwerwiegender. 
Ich mache mir keine Illusionen, dass meine Ausführungen ein Umdenken bei der Krankenkasse bewirken kann. Alle Argumente sind woanders ausführlicher und vmtl auch besser dargestellt und haben trotzdem nicht die eGK verhindern können. (Ist ja schon ein bisschen länger in Planung.) Und wer weiß ob die Krankenkassen überhaupt wissen, was für ein Ei ihnen da ins Nest gelegt worden ist. Und selbst wenn sie es wüssten, dürfte ihnen nichts weniger fern liegen, als ein mündiger, also renitenter, Kunde.
Trotzdem glaube ich tatsächlich, dass man den Krankenkassen mal ordentlich auf´s Dach steigen sollte. Ich finde es dabei unwichtig, ob ihr eure Bedenken selber formuliert, meinen Brief oder andere Eingaben kopiert und der Krankenkasse statt eines Fotos zukommen lasst. Nur dass die Scheiss Welt so ganz widerspruchslos herein gebeten wird, das wäre zu traurig.

Donnerstag, 24. November 2011

Ken Jebsen und Schüss...

Radio Fritz (das ich früher leidenschaftlich gern gehört habe) musste sich sowohl von seinem Programmchef Stefan Warbeck als auch dem Moderator Ken Jebsen verabschieden. Die Aufregung ist groß, allein sie wird verfliegen. Sowohl die unberechtigte als auch die berechtigte Kritik. Da ist die Zeit nicht so wählerisch. Wer glaubt durch den Rauswurf von Jebsen würde ein Funken kritischer Vielfalt verloren gehen der irrt. Gehen muss ein selbstgefälliger Moralist. Darum ist es nicht schade. Es wird aber vermutlich nicht besser werden durch diesen ungekonnten Abgang. Also kein Grund für Trauer oder Schadenfreude. Ich hab (weil es an Kommentaren ja nie mangelt und sie so überaus lehrreich sind) das bei den Radio Fritzens FB Seite so kritisiert: 

Ken Jebsen glaubt nach wie vor das sein schnell fertiger Kommentar Schuld an seiner Misere wäre oder aber noch mehr sein(e) Kritiker. Er schnallt aber nicht den eigentlichen Inhalt der Kritik an ihm, dass die Welt komplexer ist als er scheinbar fähig ist zu vermitteln, ja leider vermutlich auch zu verstehen. Diese Simplizität ist Ken aber auch dem RBB/Fritz auf die Füße gefallen. Die Vielfalt oder Freiheit die von vielen hier (in den Kommentaren) eingefordert wird, ist im eigentlichen Sinn die Einfalt. Und die Geister die das hervorbringt faseln dann hier etwas von Volksverrätern oder Verdummung. Sie sind dadurch noch die deutlichste Bestätigung von Jebsens Kritikern. Ich glaube die die Ken vermissen müssen sich weniger um ihr Radio Sorgen machen als sie denken. Denn Radio Fritz hat dies bisher mitgetragen.

Sonntag, 12. Juni 2011

Boooom - Kunst Fast Food

Würde man Blogs konsequent nur mit tollen Sachen füllen wollen, müsste man sich auf einen Post pro Woche begrenzen. Wenns hoch kommt. Aber wer interessiert sich dann noch dafür? Ich sehe jedenfalls wie bei Booom die einzelnen Sachen verbrannt werden. Niemand kann sich etwas darauf einbilden dort publiziert zu werden. Man kann drauf hoffen, mehr zu verkaufen. Das ist das einzige. Ich verfolge die Sachen dort trotzdem. Denn ab und zu ist Nadel eben doch zu finden. Hier Stef Driesen. Vlt bin ich auch allein mit dieser Einschätzung. Aber wer hat das hier schon gelesen?