Donnerstag, 12. März 2015

Diebstahl beim Monarchen oder wie du dich auch in anderen Kneipen abziehen lässt!


Um es gleich klar zu machen, ich schreibe nicht von zu teuren Getränken oder überhöhten Eintritten. Dieses Ding heißt Kapitalismus. Und die moralische Diskussion dazu ist so alt wie das Ding selbst. Sie ist dazu müßig und führt zu nichts. Da müsste schon etwas Neues her, um da schlussendlich einen Strich drunter ziehen zu können. (Das Kapital lesen hilft womöglich!)

Nee, ich schreib hier einfach, wie ein Typ in die Kneipe kommt, deine Blödheit ausnutzt, um an scheinbar schnelles Geld zu kommen. Aber ich bin hier auch nicht derjenige, dem so etwas nicht passieren kann. Ich bin einfach meistens allein unterwegs und habe Zeit mir die Leute und ihr Zusammenleben anzusehen. Ich bin aber auch nicht der Mond, falls sich noch jemand an den Song von Rocko Schamoni erinnern kann. Ich kann auch nicht sagen, dass es immer so und nur so abläuft. Ich beschreibe einfach nur, was ich glaube, gesehen zu haben.
Du warst schon mit deiner Clique da. Ihr habt euch englisch miteinander unterhalten, habt getrunken aber wart vor allem mit dem Spiel mit den bunten Federn beschäftigt. Das Spiel, was nur noch in den besten Momenten an eine Poussade erinnert und eher dem prinzipiell geschädigten Selbstwertgefühl dienen soll, als jemand anderes zu schmeicheln.
Eure Taschen habt ihr unter eure Stühle und den Tisch abgelegt. Was ich besser finde, als damit die ganze Zeit rum zu latschen oder sogar noch mit den umgehängten Taschen zu tanzen. Aber eigentlich geht mich das auch alles gar nichts an. Jedenfalls sollte es das nicht. Ich sollte in mein Glas schauen und warten bis ein Track kommt, der mich zum bewegen meines Körpers motiviert.
Irgendwann kommt der Typ rein, der euch abziehen will oder wird. Seine Klassenzugehörigkeit sieht man ihm genauso an, wie euch. Aber ich umschreibe es mal folgender maßen, ihr habt als Kinder nicht im gleichen Sandkasten gespielt. Mit großen Schritten durchmisst er den Raum, eigentlich in alle Richtungen. Er lacht, tritt mit jeder Person im Raum mindestens einmal in Augenkontakt. Er klopft mir tatsächlich wohlwollend auf die Schulter. Aber ich weiß nie auf solche Gesten zu reagieren, also tue ich gar nichts.
Begleitet wird er von einem Mädchen, die den ganzen Abend nicht einmal lachen wird. Sie ist genauso rausgeputzt wie du und die Leute in deiner Clique. Aber doch auch wieder anders, von allem trägt sie etwas mehr auf. Er kauft sich und seiner Begleiterin ein Getränk oder gibt sie das Geld für die beiden Jever? Sie setzen sich nicht abseits, sondern in die Nische, die auch von den meisten anderen Gästen benutzt wird.
Er holt sich Feuer an einem Nachbartisch. Dabei wirft er sein Bein um das Bein desjenigen, der ihm Feuer geben soll, und tanzt ihn an. Er lacht, der der ihm Feuer geben soll, nicht so sehr. Aber diese Situation ist mit dem entzünden der Zigarette auch schon beendet. Nur eine der Merkwürdigkeiten, der man Berlin so gerne nachsagt. Nicht merkwürdig, weil ein Mann einem anderen Mann das Bein überschlägt und ihn antanzt. Sondern weil diese Geste nicht vermittelt ist. Außer vlt. von dem Berlin Mythos, das wir alle eine Gemeinschaft bilden und hier ne krasse Zeit verleben.
Das gegensätzliche Paar sitzt der entgegengesetzten Gemeinschaft, mit der du den Abend verbringst, gegenüber. Irgendwann greift er rüber und zieht an deiner Tasche so, als würde er seine eigene zu sich rüber ziehen. So steht deine Damenhandtasche zu seinen Füßen, zwischen seine Beine geklemmt. Er nimmt sich seine Jacke oder die seiner Freundin. Die Jacke liegt über seine Beine bis zum Boden, so als würde er gleich gehen wollen. Bevor er sich runterbeugt und seine Hand in die Tasche gleitet, gehe ich doch rüber und spreche ihn an.
Ich hasse das, mich in andere Angelegenheiten einzumischen. Ich bin kein Bulle, will keiner sein und auch nicht spielen. Die Bullen sind nicht so meins. Sie tun so, als würden sie unser Eigentum schützen und den Verkehr regeln. Aber eigentlich geht’s um das Eigentumsrecht allgemein und das der Produktionsgüter im speziellen. Und ja, der Satz klang schon während des Schreibens abgedroschen. Aber die Gegenwart beweist ihn doch Tag für Tag.
Er lacht mir ins Gesicht und fragt mich während dessen, ohne das ich ein Wort davon verstehe, was ich für ein Problem habe. Oft verstehen wir unsere Gegenüber nicht, wissen aber doch ganz genau, um was es ihnen geht. Da er so blöd tut, muss ich dich und deine Clique doch ansprechen, ob die Tasche jemand von euch gehört. Euch gegenüber tut er unwissend. In eurer Gruppe gibt es diesen kurzen Moment der Aufregung. Was euch aber nicht dazu nötigt, mit ihm oder mir ins Gespräch zu treten. Jemand von euch nimmt die Tasche. Die Mauer geht wieder hoch, ohne das ihr ein Wort gesagt habt.
Ich will schon wieder gehen und sage ihm aber dann doch noch, dass es vielleicht besser ist, wenn er jetzt gehen würde. Aber nicht meinetwegen, das möchte ich hier hinzufügen. Ich glaube einfach, sein Verharren würde auf größeren Stress hinaus laufen, als notwendig ist. Okay, Stress brauche ich auch nicht. Also habe ich es auch ein bisschen für mich getan.
Tatsächlich nimmt seine Freundin ihren Mut oder vielmehr allen Stolz zusammen, und fragt mich, was ich von ihnen wollte. Es ist so bitter, welche Verrenkungen das (schlechte) Gewissen macht, um sich selbst zu befrieden. Ich muss keine großen Erklärungen machen. Ihr Freund gibt ihr zu verstehen, dass es okay sei und es besser ist zu gehen. Beim gehen kommt er natürlich noch einmal zu mir. Wobei es ihm vielleicht dieses Mal tatsächlich eher um sein Selbstverständnis geht.
Er lacht immer noch, er hat die ganze Zeit gelacht. Wenn auch nicht immer mit den Augen. Aber ihm vergeht vermutlich ohnehin das Lachen erst, sollte er einmal sein Gesicht verlieren. Aber mir ist sein Lachen lieber, als die Angst dahinter. Ich sage ihm einfach, das ich ganz genau gesehen habe, was er gemacht hat. Er kann das anerkennen und sie gehen. Sie kommen aber noch einmal zurück, um ihre beiden Getränke zu holen, welche sie bei ihrer Sitzgelegenheit stehen gelassen hatten. Dann gehen sie wirklich.
Vermutlich hätten sie euer Geld mehr verdient als du und deine Clique. Aber irgendwie haben sie sich auch blöd angestellt. Vielleicht aber auch nicht und an diesem Abend sind tatsächlich noch Sachen verschwunden. Möglicherweise von anderen an sich gebracht. Aber ganz sicher sind auch dieses Mal wieder alle diejenigen Sachen passiert, die sich unsichtbar vor unseren Augen vollziehen. Die uns dazu nötigen dem Schotter nach zu rennen und dabei Strecken zu überwinden, die gar nicht notwendig wären, um unsere beschissene Existenz zu sichern.

(Für diesen Artikel waren 4 1/2h unbezahlte Arbeit notwendig)

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