Diesen Text habe ich ursprünglich für BLN.FM geschrieben. Aber nach eineinhalb Jahren warten, reicht es dann auch einmal. Womöglich passt der Text ohnehin besser auf meinen Blog. Zeitformen habe ich versucht der Gegenwart anzupassen, ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich noch hier und da ein Fehler versteckt ;-)
Da wo die Auberginen wachsen, Moniker Eggplant
Was liegt näher
als die Berliner Kultur-und Musikszene mit einem Garten voll von Früchten und
Gemüse zu vergleichen. Für jeden Geschmack schießt hier etwas in die Höhe oder
wächst in die Erde. Von allem ist etwas dabei, in unterschiedlichen Mengen und
Größen. Pflaumen nebst langem Spargel, vom faulen Apfel bis zum behäbigen
Kürbis. Manches Gemüse wächst das ganze Jahr und wieder anderes ist nur
Saisonal zu haben.
Möglicherweise
hat eine besondere Leidenschaft für Auberginen dazu geführt, dass das Label Moniker Eggplant eben jene Frucht als
Referenz im Namen und Logo trägt. Vielleicht sehen die Labelmacher Lorenz
Erdmann und Johannes Maibaum aber auch eine Verbindung zwischen dem herben
Geschmack dieses besonderen Gemüses und der Musik die sie verlegen.
1.
Das
Label
Das Berliner
Label Moniker Eggplant veröffentlicht seit Oktober 2012 unterschiedliche
Tonträger. Hervorgegangen ist es aus einer Gruppe von Musikern die das
Open-Air-Projekt Be-Cycle
initiierten. Be-Cycle war ein mobiles DJ-Fahrrad, welches nach eigenen Aussagen
„berlinweit für freie und offene Musikperformances“ im urbanen Raum sorgte.
Lorenz Erdmann
erinnert sich:
„Auf dem Be-Cycle lief tatsächlich sehr diverse Musik. Artists, die jetzt auf Moniker Eggplant veröffentlichen, wie Dingy Dysu, ILL_K oder Shins-k haben dort aktuelle musikalische Entdeckungen präsentiert und bei der Fête de la Musique oder am 1. Mai im Görli durchaus viele Menschen zum tanzen gebracht, als dies bzgl. Ordnungsamt noch leichter möglich war. Ansonsten hatten wir aber auch Techno/House DJs wie dem Be-Cycle-Gründer DJul oder MVL, welche jetzt Work-Mitgestalter sind - einer Veranstaltungsreihe im OHM.“
Um dem ihrem um
das DJ-Fahrrad herum entstehenden Netzwerk eine beständige und weitere
Plattform zu geben, gingen Maibaum und Erdmann dazu über, ihre und die Musik
einiger Freunde im eigenen DIY-Label Moniker
Eggplant zu verlegen. DIY steht für Do It Yourself und umschreibt u.a. eine
bestimmte Praxis als auch Ethos des Verlagswesens. Unabhängig von großen Majors
wollten, und möchten noch, Künstler und Verleger ihre Arbeiten produzieren und
vertreiben. Entsprechende Szenen etablierten sich bereits Mitte der 1970er
Jahre unter dem D-I-Y Codex. Diese Dezentralisierung der Kulturproduktion kann
man durchaus als ein Werkzeug der Demokratisierung lesen. Zudem resultiert aus
dieser Praxis eine eigene Ästhetik, dazu gleich mehr.
2.
Veröffentlichungen
und Labelumfeld
Am 25.04.2014
ist die erste 12“ Vinyl EP des Labels unter dem Namen Sonic Carpaccio erscheinen. Auf diese folgte im Juni vergangenen
Jahres eine Veröffentlichung von Leise im
Kran im Kassettenformat.
Neben digitalen
Downloads, 7“ Vinyl-Singles und CD-R Produktionen sind dann so ziemlich alle
gegenwärtigen Distributionsmittel für Musik bedient worden. Trotzdem sucht das
Label nach immer neuen Publikationsmöglichkeiten:
„Wir suchen nach ungewohnten Medienverbünden und denken über 7"-Bücher oder Tape-trommeln nach. Wie dies umzusetzen ist, wird sich noch heraus stellen. Generell sind die 7"-Singles für Produzenten und einzelne herausragende Tracks vorgesehen. Wir sind gerade dabei, die nächste 7" zu erdenken und sind dazu am überlegen, diese in Kooperation mit einem anderen Label zu veröffentlichen.“
Die wichtigsten
Produkte der bisherigen Labeltätigkeit von Moniker Eggplant waren aber
sicherlich die drei CD-R Compilations Mashed
Eggplants Vol. 1 & 2 und Recipes
of Reconstruction. Diese drei Compilations können durchaus als Porträts
eben jener weit verzweigten Musikszene gesehen werden.
Auf den ersten
beiden Samplern sind insgesamt 27 Musiker vertreten. Diese kommen neben
Deutschland, unter anderen aus der Schweiz, Finnland, Japan und Australien. Die
CD-R Recipes of Reconstruction steht
neben den Netzwerkcharakter des Labels zudem für das Verhältnis, welches die
Musiker unter einander pflegen. Hier haben sich 16 Musiker die Mühe gemacht
ebenso viele Songs der Mashed Eggplants Compilations zu remixen. Dieses
Engagement ist durchaus im Sinne des Labels und geht auf deren Initiative zurück.
Allerdings kennen sich auch viele Musiker schon länger und aus ähnlichen
musikalischen Zusammenhängen.
Beispielsweise
beliefert der Musiker Istari Lasterfahrer aus Hamburg, mit seiner Musik und
seinem Label Sozialistischer Plattenbau,
die Musikszene seit über 15 Jahre mit Tonträgern. Viele der Platten können den
Genre Breakcore und Raggacore zugeordnet werden. Den disparaten Ursprüngen der
Breakcoreszene und deren Fortentwicklungen widmet sich der Musiker und Verleger
bis heute.
Von Berlin aus
vertreibt der finnische Musikproduzent Mesak elektronische Musik aus
Skandinavien. Unter anderem die Produkte des Label Harmönia, welches er mitbegründet hat. Für deren Klänge hat sich in
der Musikwelt der Begriff Skweee etabliert. Dieser Begriff bezeichnet eine Musik,
die mit Hilfe analoger Synthesizer dem Dubstep mal mit Funk und mal mit Polka
zu Leibe rückt.
Wiederum weiter
südlicher, nämlich Leipzig, dort ist der Musiker LXC und sein Label Alphacut beheimatet. Dieses Label hat
mit seinen diversen Unterlabeln bisher gut 50 verschiedene Titel
veröffentlicht. Der Schwerpunkt liegt hier auf tricky Drum´n´Bass, Dub und
Dubstep. Zusammen mit Moniker Eggplant hat Alphacut die 7“ Single von Lorenz
Erdmann und Niklas Meier „Meier &
Erdman: Toxic Scythe - A Grass-reaping Self-sharpener In Two Parts
realisiert.
Man kann in dem
Label Moniker Eggplant also durchaus auch einen Ort von und für
Musikenthusiasten sehen.
Musik:
Auf ein
bestimmtes musikalisches Genre wollen oder können sich Moniker Eggplant nicht
festlegen. Trotzdem lässt sich innerhalb der aktuellen Releases durchaus eine
thematische Klammer entdecken. Das große Dach, unter dem sich diese
Gemeinschaft zusammenfindet, ist das der experimentellen elektronischen
Populärmusik. Was bedeutet das? Jedenfalls kein generelles Verbot von
akustischen Instrumenten. Aber vielleicht doch eine Tendenz Musiker wie Aphex Twin, Luke Vibert oder Bogdan
Raczynski wie Säulenheilige zu verehren. Wer also die Musik der englischen
Labels Warp oder Rephlex mag, sollte sich mit dem Label Moniker Eggplant durchaus
anfreunden können. Im Gegensatz zu deutschen Labels wie Hausmusik, mit denen
Moniker Eggplant das händische Arbeiten teilt, ist die Musik hier aber weniger
song- bzw. wortlastig.
Ganz auf
Verbalisierungen verzichtet man dennoch nicht. Zum Beispiel im Fall des Songs Superfreak von X.A.Cute und Infinite Livez.
Auf Grund der Rhymes des in Berlin lebenden (immer noch?) East-Londoner Infinite Livez
(Steven Henry) bleibt einem jegliche Betulich- oder Peinlichkeit erspart und
stattdessen gibt´s einen aufgeschraubten Grimehit auf die Ohren.
Was für hiesige
Ohren experimentell klingen mag, hat also durchaus eine Musikgeschichte und mag
für Andere vertraut und eingängig klingen. Der Begriff der Experimentalität
sollte deshalb nicht übermäßig auf Rhythmik und Tonalität beschränkt werden.
Lorenz
umschreibt ihr Experimentierfeld deshalb wohl folgendermaßen:
„Ich zähle die Experimente in der Küche (für unsere Rezepte), die musikalischen Experimente der verlegten Künstler, wie auch die Art und Weise, wie wir veranstalten und letztlich wie wir releasen dazu.“
Der Begriff des
„Experimentierens“ ist also auf verschiedene Formen von Praxen anzuwenden. Dazu
gehört, dass mit jedem Release das Rezept für ein Auberginengericht oben drauf
gegeben wird. Beim musizieren wird dann eher auf Synthesizer und Hardware als
auf ausgiebiges Sampling gesetzt. Ebenso bemühen sich die Musiker um eine
gepflegte Improvisationshaltung oder experimentieren mit musikfernen
Geräuschquellen. Das können transformierte Programmcodes genauso sein, wie
Kinderspielzeug.
Foto: Nancy Göring |
Da wo
Musik-Samples eingesetzt werden, geht es nicht selten um Verweissysteme, also
das featuren von bestimmten Musikszenen oder musikalischen Vorbildern. Dies
geschieht mal mehr, mal weniger versteckt.
Recht
anschaulich beschreibt der Musiker Ill_K seine Arbeitsweise, er ist einer der
vier Künstler, die auf der kommenden EP Sonic
Carpaccio vertreten sind.
„Wenn ich unterwegs bin, sammle ich viele meiner Samples mit dem I-Phone. Das klingt für hoch-frequente Sounds ganz okay, oder für das Rauschen der U-Bahn. Ansonsten arbeite ich mit Mikrophonen und ner Soundkarte, aber das vorwiegend Drinnen. Ich sample auch gerne von Platten, aber eher mit extrem verlangsamte Aufnahmen oder nur das Plattenknistern. Zum arrangieren etc. nutze ich am liebsten Reason 7 von Propellerhead. Hardware benutze ich eher selten. Ich habe noch einen alten Mixer mit dem ich gerne Feedbacks erzeuge und diese dann resample, aber das meiste findet digital statt."
Ill_K kommt
ursprünglich aus Bremen und ist dort im Boombastic Store und Clubs wie dem
Tivoli und Ting mit Jungle und Drum´n´Bass in Berührung gekommen. Das auflegen
und produzieren hat er sich zum größten Teil autodidaktisch beigebogen. Und mit
der Dubspin Crew hatte er seine eigene Dubstep Posse und Veranstaltungsreihe.
Das war auch noch in der Hansestadt. Heute sieht man ihn vor allem in Berlin,
in Läden wie dem ://about blank, Subland und Rosis. Aber auch in Keller Clubs
wie dem Trickster.
Mittlerweile
versucht er sehr verschiedene Genres zu bedienen oder auch zu verbinden, wie
Dubstep und Noise, Drum´n`Bass und Drone Musik. In seinen aktuellsten
Produktionen beschäftigt er sich aber vor allem mit elektronischer Musik, die
um die 170 bpm Marke oszilliert. Ein spezifischer Genrename hat sich für die
Musik noch nicht etabliert aber bestimmte Künstler lassen sich damit schon
verbinden, meint Klaas aka Ill_K:
"Viele bekannte Leute würde ich in die 170er Sparte packen. Dbridge, Skeptical, oder auch Labels – die für mich sehr viel gute Sachen machen – wie z.b. Samurai Music mit Artist wie Elemental, ENA, SAM KDC, ASC. Einen direkten Namen habe ich für das Genre nicht. Was vielleicht auch ganz gut ist. Kein Name, keine Regeln."
Ill_Ks´s Track Psalmus auf der EP Sonic Carpaccio hat mit diesem Genre ohne Namen aber lediglich die
Düsternis gemein. Auf 170 bpm kommt das gute Stück nicht und hat sich stattdessen
bei 140 bpm eingependelt. Anfänglich erklingen späherische Synth-Linien, dann
schiebt sich vorsichtig die Bass-Drum in den Song, begleitet von minimalen
Klavierläufen. Pause.
Die Sphärischen
Klänge haben die Temperatur geändert und sowohl Tempo als auch Rhythmik werden
nun von einem ruhigen 2step Beat getragen. Etwas versteckt aber doch irgendwie
tricky das Geräusch, welches wie das Schnappen sehr vieler Scheren klingt.
Dieser zweite Teil wird noch einmal wiederholt werden und der Song klingt dann
in einem Rauschen aus.
Wie die Elemente
für diesen Track entstanden sind, erklärt uns der Musiker selbst:
"Ich hab die Percussion aus Vinylknistern und zerbrechendem Glass gemacht. Die Sub hab ich aus einer Feedbackschleife von meinem Mixer gemacht. Dazu noch ein Klavier im "Shangl Hangl" aufgenommen und gesampled, welches ich mit ein paar Atmos von der U-bahn unterlegt habe. Die Drums sind auch zum Teil gesampled."
Der Wuseng Dub von Memory9, mit dem die EP startet, wird im Wesentlichen seinem Namen
gerecht. Die prägnanten Unterschiede zum klassischen Dub liegen vor allem in
der höheren Geschwindigkeit, aber vor allem in der gehauchten Synth-Melodie.
Ohne diese Synth
aber genauso düster ist der Track Never
Been von ENA. Fast schon
stolpernd schieben sich hier die minimalen repetitiven Beats dem Ende des
Tracks entgegen. Im letzten Track Shadowborn
von Ibunshi flirren die Synth auf
Höhe der Horizontebene. Im Vordergrund stampft das Instrumentarium eines Jungle
Tracks so langsam, dass der Song wie ein Hybrid aus Drum´n´Bass und Dubstep
wirkt.
Insgesamt werden
diese vier formal recht unterschiedlichen Tracks vor allem durch ihre
Klangfarbe zusammengehalten. Es scheint so, als hätten sich alle vier Produzenten
an englische Downbeat Nummern der 1990er Jahren, als ihren gemeinsamen Fixstern
orientiert. Hier und heute paart sich relativ ungestüm die Melancholie mit
einer gesunden Portion Düsternis. Die schleppenden Beats weichen nur
streckenweise dem Impuls eines treibenden Rhythmus. Das alles ist so gemixt,
dass es kurzweilig klingt, eben wie eine gute Vermählung von Popgeschichte und
Gegenwärtigkeit.
3.Layout:
Wie bereits
angedeutet, leitet sich aus dem DIY Ansatz des Labels auch eine spezifische
Ästhetik. So wie bei den frühen Veröffentlichung des Labels Hausmusik, geht
auch bei Moniker Eggplant noch jedes Produkt durch die Hände ihrer Produzenten. Die besprochenen Sampler werden in einem
schlichten Pappkarton veröffentlicht, der von einem fetten Stempeldruck
geschmückt und mit einem Auberginenrezept bestückt ist. Die Cover der bisher
erschienenen Singles sind zwar nicht gestempelt aber dafür im
Siebdruckverfahren hergestellt, also reine Handarbeit. Auch wenn die
Beipackzettel zur CD nicht mehr selbst gedruckt sind, erinnert zumindest deren
Layout noch an die guten alten Zeiten der Schreibmaschine und des mit Tinte
verwischten Millimeterpapier.
4. Aussicht
Mit den drei
Compilations haben Moniker Eggplant es sich selber nicht ganz einfach gemacht.
Als normaler Musikhörer – der sich nicht mit aufwendiger Recherchearbeit
beschäftigen möchte – bekommt man gleich über ein Duzend guter Tracks
geliefert, die Einzel- bzw. Folgeveröffentlichungen wünschenswert machen. Dabei
ist nicht zwangsläufig gesagt, dass die jeweiligen Musiker überhaupt schon
soviel und gleichwertige Musik produziert haben. Zudem wäre es dem kleinen
Label auch nicht möglich soviel Musik in kurzer Zeit zu veröffentlichen. Dem
entsprechend müssen sie die Aufmerksamkeit auf ihr Label und die einzelnen
Releases auch immer wieder neu herstellen. Das kostet viel Kraft, an dem
sicherlich die meisten kleinen Labels letztlich scheitern.
Umso besser im
vergangenen Juni das Tape von Leise im Kran veröffentlicht wurde. Es fügt, mit
dessen Acid Sound, dem Klang des Labels eine weitere Nuance hinzu.
Bedauerlich ist,
dass das Label nicht selber mehr aktiv ist musizierende Frauen zu supporten und
zu veröffentlichen. Dies kann man durchaus als
exemplarisch für die Musiklandschaft als auch die Gesellschaft allgemein
betrachten. Aber man wünscht es sich doch immer auch anders von den kleinen
Labels, die für sich in Anspruch nehmen alles ein bisschen neben der Spur und
experimentell zu gestalten. So bleibt es bei MimiCof als einzige Künstlerin im
Roster des Labels.
Alles
in allem darf man aber durchaus gespannt sein wie sich das Label und die
MusikerInnen um das Label herum entwickeln. Es ist nicht ganz ausgeschlossen,
dass sich die eine oder andere Frucht zu einem neuen Säulenheiligen entwickelt.
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