Donnerstag, 2. Mai 2013

Lutz Schulenburg zum Gedenken

Ich hab es vor zwei oder drei Stunden gelesen. In der Online-Ausgabe der Berl-Zeit und des Ziegels-Hamburg. Ich hab erst noch Essen wollen, bevor ich die Artikel lese, weil schon aus den Überschriften hervor ging, wohin die Reise geht. Nicht in die Zukunft und auch sonst nirgends hin. Vielleicht noch zurück an einen Gedankenfaden in die Vergangenheit. Anscheinend sind aber weder die Online-Magazine noch ich dazu prädestiniert einen Nachruf auf den Lutz zu verfassen. So spannend die Ereignisse aus Lutz seinem Leben sind, sie bleiben Allgemeinplätze gegenüber seiner tatsächlichen Präsenz, die nun schon seit Gestern begonnen hat zu verbleichen. Weil dem so ist, sprechen wir die Worte, die das Gegenteil behaupten aber die Stimme des Verlegers bringen sie nicht zurück. Und nur diese behaupten das Leben, die gesprochenen Worte. Alles andere wird schon, ob tot oder nicht, dem Tod halb übereignet.
Warum ich über Lutz schreibe, obwohl ich kein geeigneten Nachruf zu formulieren vermag, ist dass ich Lutz ein wenig kannte und wohl immer der Meinung war und noch bin, dass da etwas offen geblieben ist. 
Lutz und die Verlegerin Hanna Mittelstädt kamen mich und uns jugendliche Rüpel_Innen am 18.05.2000 im JWP-Mittendrin in Neuruppin besuchen. Einfach so. Ohne das irgendwelche Kosten gedeckt hätten werden müssen, mit zwei Kisten Bücher, die sie uns nach der Veranstaltung überlassen haben. Also wenn im Mittendrin heute noch ein Buch der Edition Nautilus zu finden ist, dann geht dieses womöglich auf diesen Tag zurück. 
Ca. ein Jahr später habe ich noch ein Praktikum beim Verlag gemacht. Nicht so lange, dass ich beim Verlag wirklich heimisch wurde. Warum auch, ich war jung und es gab sicherlich auch nicht wirklich ein Bedarf an so ne Type wie ich es war. Irgendwie auch unzureichend ausgebildet, obwohl das dort zu keinen Problem geworden ist. Ich bin viel für die Edition Nautilus ins Büro der örtlichen Grünen, hab dort Sachen für den Verlag kopiert und auch für mich, wenn ich es interessant fand. Zum Beispiel Teile der Super Bierfront mit der Grafik über die Zusammenhänge von Dada, Punk, Situationistische Internationale usw. Mit den Grünen hatte sich der Verlag damals einen der Aufgabe entsprechenden Kopierer geteilt. Ich weiß nicht wie teuer damals Kopierer noch waren. Aber vlt. sagt dieser Zustand etwas über die egalitären Zusammenhänge der alten linken Hamburger Szene, aber auch die finanziellen Mittel eines linksradikalen Kleinstverlages aus. Dann habe ich die Pakete und Briefe zur Post gebracht.
Zum Abschluss des Praktikas, habe ich zwei CD-Cover für Dialekt-Ausgaben des Dinner for One gestaltet und mir Gedanken machen dürfen, wie die Aktion grafisch besser zu gestalten wäre. Ich glaube letzteres war nicht so weit gereift, dass es Verwendung hätte finden können. Oder war womöglich auch gar nicht das eigentliche Problem der Aktion oder des Verlags.
Ich glaube weder die Aktion, noch der Verlag war oder ist noch ein meinungsstarkes (blödes Wort) Organ der radikalen Linken. Wenn man dann aber von einer Krise des Verlags sprechen möchte, dann nur in einem Zusammenhang mit der Krise der radikalen Linke insgesamt. 
Obwohl der Erfolg von Theorie.org, des Schmetterling Verlag (wenn es denn ein Erfolg ist, aber mir kam es so vor) vielleicht auch ein Zeichen dafür war, dass der Nautilus Verlag es nicht ausreichend schaffte, ihr Wissen an eine neue Generation der Linken zu vermitteln, die hier mal als Anti-Deutsche gelabelt werden sollen. Aber ich stecke zu wenig in der Materie, um das wirklich belegen zu können. Und wem wäre damit auch geholfen? 
Ich habe mich gefreut, dass der Verlag mit seinen neuen Bestsellern sich hat weitere Träume erfüllen können. Andere sind sicherlich auf der Strecke geblieben. 
Ich lese gelegentlich immer noch in den Bänden des Verlags zu den Situationisten. Damals erschien gerade das Grosse Spiel von Roberto Ohrt. Noch bevor das große Situ-Revival ausbrach. 
Der Kontakt zu Lutz und dem Verlag brach nach dem Praktikum wieder ab. Es ist halt so. 
Obwohl ich wenige Jahre später nach Bremen zog. Und eigentlich Hamburg immer mehr liebte. Dort habe ich später noch mit Roberto Ohrt und Thorwald Proll Interviews geführt. Das lief auch noch über die Informationen, die ich mir beim Verlag angeeignet hatte. Roberto Ohrt empfing mich mit zwei weiteren Pesonen ohne seine Identität preis zu geben. Ich hatte es also mit drei Roberto Ohrts zu tun. Werde ich nie vergessen. Da habe ich mich nicht ernst genommen gefühlt. Aber die Zeit mit den Leuten aus dem Verlag, ich erinnere mich vor allem an Klaus, Hanna und eben Lutz, war sehr gut. Das tägliche Frühstück auf der Terasse des Verlags, welcher in so einer piefigen Westdeutschen Einkaufspassage in Bergedorf lag. An diesem Tisch haben wir entdeckt, das wir alle für den uns noch unbekannten René Pollesch schwärmten, oder vielmehr noch, für seine Radio Arbeit Heidi Ho, arbeitet hier nicht mehr! Ich meine Hanna lies sich sogar das Manuskript des Hörspiels zu schicken. Ich hatte dies darauf hin auch mal versucht, hatte aber weniger Glück. 
Ich weiß nicht, ob ich mich damals dazu entschlossen hatte, Hörspiele machen zu wollen. Aber es war definitiv ein wichtiges Ereignis. Politik und Kunst kamen wieder einmal zusammen. 
Gestern ist nun Lutz Schulenburg gestorben unter Umständen die mir nicht bekannt sind. Der Kontakt zur Edition Nautilus begrenzte sich in den Jahren zuvor auf das studieren der Neuerscheinungen aber viel zu selten der Erscheinungen selber. Aus vielerlei Gründen, die mit dem Verlag nichts zu tun haben. Ich bin deshalb nicht befähigt einen aussagekräftigen Nachruf zu verfassen. Will aber hiermit mein Bedauern über den Abtritt des Delinquenten bekunden. Der Nautilus dagegen, wünsche ich immer eine handbreit Wasser unterm Kiel.

Nachtrag: Deutschlandradio. cultURmag.

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