Dienstag, 10. März 2009

Kraak Festival/ Brüssel/ Mit Tante Holger und Onkel Hohendorf unterwegs


Bild via holgduerdoeneria!

Festivals haben Ihre eigene Logik. Auch wenn mehr Bands in kürzerer Zeit zusammen kommen, gehts vielleicht viel weniger um Musik, als bei einem Konzert. Es soll ja Rockfestivalbesucher geben, die keine einzige Band gesehen haben, wenn sie nach einem Festivalwochenende nach Hause fahren.
Ich habe von dreizehn Bands, zwölf gesehen. Ich glaube meinen Buddies ging es ähnlich.
Das sagt sicherlich einiges über das Festival aus. Belgische Bierexzesse werden lieber vor der Bühne abgehalten, anstatt in Zelten. Jedenfalls beim Kraakfestival.
Wo wir schon halbwegs bei einem ersten Festivalfaktor wären, die Peergroup.
In diesen Fall einer der tollsten Bande Bremer Nerds, die von den Fußnägeln bis zu den Wimpern mit Testosteron und Schokolade vollgestopft sind.
Freitag gings unpünktlich um 16.00 Uhr los, mit einem Zwischenstopp in Düsseldorf, zur Ausstellungseröffnung von Denis Tyfus. Galerie Slowboy. Sehenswert aber unbezahlbar. Bis auf das tolle Heftchen mit CD. Hach ja, das Fanzine, die Krönung jeder grafischen Kunst. Das Klo im Treppengang, sauber und kalt.
Dann weiter nach Brüssel. Brüssel entsprach nicht den Vorstellungen die ich nicht hatte. Doppelte Verblüffung. Untergekommen, dank J., sind wir beide bei dem multilingualen Künstlern Kania Tieffer (das phonetische Wortspiel ist wohl tatsächlich ein Zufall) und Nino.
Jedes mal bin ich total verblüfft von der scheinbaren Selbstverständlichkeit solcher Gastfreundschaft. Mir wurde noch beigebracht, dass man Fremde nicht reinlässt und trotzdem die Tür zusätzlich zweimal umgeschlossen wird.
Kania und Nino waren wirklich sehr zuvorkommend und herzlich. Wir haben anschließend quasi direkt die nächste Pommesbude aufgesucht und haben dort fast per Zufall die anderen Banausen wieder getroffen, die in der Rue de(?) Stalingrad untergekommen sind.
Welch klangvoller Name, passend zu den drei umtriebigen Deutschen. Es gab Falaffel mit Pommes. Was so ging. Dann noch in einen Bierkeller, der voll mit belgischen Skinheads war.
Dort im Nichtraucherbreich vor dem Klo gesessen und das erste mal Bekanntschaft mit bauchigen und stieligen Biergläsern gemacht. Einen Anblick, mit dem ich mich bis jetzt nicht wirklich anfreunden konnte. Ich blieb natürlich bei Cola und Brause. In der zweiten Kneipe, nach dem in der ersten das Licht ausgedreht wurde, bin ich dann fast eingeschlafen. Hab dann mit J. trotzdem noch zu "Hause" über die Vorzüge Brüssels seniert, die trotz frühen Kneipenschlusses, doch eine urbane Stadt ist.
Fast pünktlich 14.00 Uhr gings im Recyclart los, vorher war aber noch Zeit für ein Pommesfrühstück mit Barbecuesauce.
Das Festival selber hatte viel von einer Leistungs- und Verkaufsmesse. Vieles an diesem Tage, lief unter dem Motto Delay, Loop & Hall. Das ist keine Kritik, nur eine Feststellung.

01.04.

Weiter gehts im Text, jetzt. Ich glaube es waren ganz wenige Künstler, die nicht wenigstens auf einen dieser Effekte zurückgriffen. Wahrscheinlich bedürfte es eines ganzen Buches, um die Verbindung von Geschmack, technischen Entwicklungen und ökonomischen Bedingungen zu erörtern, die zu der merklichen Zunahme von Micro-Bands führt(e). Aber wie es mit den dicken Büchern so ist, sie sind bereits überholt bevor sie erscheinen. Was wiederum nicht gegen Bücher sprechen soll.
Eins lässt sich ganz gewiss sagen, Lumberjack-Jackets und Hemden muss man nicht mehr tragen genauso wenig wie der American Apparel WaldfeenNeoHippielook. Dieser Distinktionstrick führt mittlerweile geradewegs in die Peinlichkeit und wird nur von denen überboten, die nicht geschnallt haben, dass das Palistinänsertuch schon vor zwei Jahren bemüht wirkte. Ich dagegen, mit meinen Leonardo de Caprio Shirt, komme nie ganz aus der Mode.












Links und rechts ist Scheisse gekleidet, die Mitte ist akzeptabel.

Ganz bezeichnend für den ersten Trend und womöglich auch der Publikumsliebling, war Ken Butler. Wobei bei ihm für mich am deutlichsten wurde, worin die Fallen einer solchen Entwicklung liegen, nämlich in das Abrutschen ins Varietéhafte. Butler ist Instrumentenbauer, welche zum Grossteil an Seiteninstrumente angelehnt und aus Fundstücken zusammengebastelt sind. Butlers Konzept war es nun während seines Sets von ein auf das nächst kleinere Instrument zu switchen, was über den Umweg über eine Gabel, dem Reißverschlusses der Hose, mit dem Trommeln auf den Kopf endete. Nicht das mir sein Spiel nicht gefallen hätte und sein Lampenfieber mich nicht berührt hätte, aber die Performance hatte letztlich für mich zu viele clowneske Züge. Nicht, dass das reißen eines Reißverschlusses nicht originäre und legitime Töne erzeugen würde, aber die Behauptung dessen, wurde durch die Art der Performance mehr oder minder abgeschwächt. Selbstverständlich ist das meckern auf hohen Niveau und soll nicht die Leistung des Künstlers schmälern. Mein Liebling des Festivals war definitiv Kurt Vile. Schon komisch, das mir gerade die hippies so gut gefallen haben. Vielleicht lags an dem Humor in ihrer Musik oder deren oldskooliges Aussehen. Vor allem Viles Begleitung fand ich super. Also der Typ war überhaupt nicht schön aber trotzdem toll anzusehen. Aber letztlich hat die Musik überzeugt. Wer es prüfen möchte kann hier in ihr „Hitalbum“ Constant Hitmaker hören. Am besten direkt den Song Don´t get cute ansteuern. Nee aber so lange Haare und Jeansjacke können schon cool sein. Was mir insgesamt ein wenig gefehlt hat, waren Positionen dezidiert elektronischer Musik. Ob dies Köhn leisten sollte, weiß ich nicht. Obwohl ich auch nicht benennen könnte was zeitgemäß wäre. Vomir auch eher nicht, also keine aktuelle Position elektronischer Musik. Es gab Noise vom Dat Recorder(?), während Vomir mit einer Plastiktüte über den Kopf gezogen ausgestreckt und bewegungslos auf der Bühne lag. Fand das prinzipiell auch in Ordnung, bloß Publikum und Raum hatten das zu dem Zeitpunkt noch nicht hergegeben. Irgendwie hatte ich die Show also so einen komischen Appell an das Publikum verstanden, den ich bemüht fand. Wenn sich ein Typ eine Tüte über den Kopf zieht und sich so hinlegt, dass sein Kopf weitestgehend durch den Körper verdeckt bleibt, dann versteh ich das als ein Spiel der inszenierten Selbsttötung. Aus diesem Akt gibt’s fürs Publikum nur zwei Wege, den der Intervention und den des geschehen Lassens. Was bedeutet, dass der Künstler in der vorteilhaften Position ist, das Verhalten des Publikums umfassend – entweder als ein Fehlen von Moral oder des Übermoralisierens – zu kritisieren. Taschenspielertrick. Aber Okay. Eindrucksvoll war das Konzert von Alan Silva & Burton Greene. Ich bin kein Jazz Fan oder Kenner und so war das Festival eine Möglichkeit, in eine sehr konkrete Idealvorstellung von Free Jazz zu tauchen. Was Jazz Kenner vielleicht zu dem Urteil bringen könnte, dass es bei dem Konzert um eine Anhandlung von Jazzklischees handelte. Mir hat es aber sehr viel Freude bereitet. Besonders toll war die entstandene Raumsituation. Das Konzert das Im Faro statt fand, welches ich auch als den angenehmeren Raum empfand, spiegelte sich in der Glasdecke des Lichthofes. So konnte man das Spiel der beiden nicht nur frontal verfolgen, sondern auch in der Draufsicht. So entkleidete sich gerade das Keyboardspiel als absolut situativ. Obwohl die meisten wohl lieber Silvas Spiel am Kontrabass gesehen hätten bzw. mehr davon. Gar nicht genug, konnten das Publikum von Henry Flint bekommen. Dieser loopte ein klassisches Rock´n´Roll Riff und begleitete dies mit einem verzögernden (verfremdenden) Notenspiel auf der Gitarre von alten Blues und Rock´n´Roll Melodien. Praktisch lief das auf eine Verunmöglichung von Rock´n´Roll, durch dessen sezierende Untersuchung, hinaus. Interessant war das ein gut betrunkenes Mädchen vollkommen ausflippte und sich auch immer wieder auf die Monitorbox warf. So ging dann auch das Publikum immer mehr ab. Das blieb auch Flynt nicht verborgen, der – so mein Eindruck – angesichts dieser Szenerie, sein Konzept des Notenspiels spontan aufgab und in ein sehr eingängiges Riff abglitt, mit umgehender hypnotischer Wirkung. Von dem Wohlwollen der Gäste offensichtlich überrascht, verlies Flynt dann irgendwann die Bühne mit der überdimensionalen Wanduhr, die direkt neben seinen Notenständer gestellt wurde. Begleitet von überbordendem Applaus. Vollkommen zu recht. Das hätte ein gutes Ende für die Konzerte sein können und der Übergang zum After-Rave. War es aber nicht. Es folgte ein unnötiges Konzert und dem anschließenden Ausfegen der Gäste aus der Lokalität. Wavves und Fabulous Diamonds, die bereits vorher spielten lieferten solide Musik, ähnlich der Jazz Hippie Geoff Leigh, der sichtlich froh über seine Einladung war. Das waren die Acts, die mir so halbwegs im Kopf geblieben sind. Der Abend klang in einer langweiligen Kneipe aus, zusammen mit Kurt Vile und den Veranstaltern am Nachbartisch. Kurt Vile hatte einen Aufnäher der Arbeiter Kampf Gruppen auf der Jacke. Wollte aber nicht Klugscheisser sein und habs ihm nicht gesagt, aber wiederum doch, weil der Bremen Posse hab ich es dann doch auf die Nase gebunden. Mit Musikwissen brauch ich den doch nicht zu kommen. Da lachen die mich aus. Am nächsten Tag dann auch noch den Fahrer verärgert, weil wir es unseren Gastgebern nicht abschlagen konnten, noch mit ihnen zu frühstücken. Also gings dann leicht verspätet (ca.2h) Richtung Heimat, was Hdf zur logischen Konsequenz führte, noch einen Umweg zu seinen Volksangehörigen nach Ysselsteyn, in den Niederlanden zu machen. Leider lagen die alle danieder und schliefen den Schlaf der Ungerechten. Niederlandes größter (?) Friedhof der deutschen Kriegsgräberpflege. Ganz unterschiedlich motiviert verbrachten wir unsere Zeit auf dem Friedhof. Vom pastoralen Abschreiten der Gräber, bis zum Notgeilen Suchen von Abbildern der Verstorbenen, alles war dabei. Ich hatte mich kurz in die pubertäre Idee geflüchtet, die Grabsteine so umzustoßen, dass sie von oben aussehen wie ein Smiley. Naja, die Groteske verliert ja nicht ihre Dramatik dadurch, dass sie durch eine weitere ergänzt wird. Das denkt sich nicht die deutsche Kriegsgräberfürsorge und tut dies trotzdem, mit Hilfe ihrer Broschüren, wo regelmäßig zum Gedenken ermahnte Soldaten zu sehen sind und mahnende Politiker. Die Quadratur des Kreises. So dicht kamen wir uns nie wieder. Liegt jetzt alles bei mir zu Hause und wenn dann demnächst ein neuer tot – in Erfüllung seiner Pflicht – nach Hause geschickt wird, dann schaue ich in den Kalender und das Heft und denk mir meinen Teil. Man muss gar nicht zynisch sein, das erledigen die Verhältnisse für ein. Weils dann doch so lange auf den Friedhof dauerte, entging mir Niederlandes beste Frittenbude. Das schmerzte besonders, angesichts des Nahrungsangebots auf der Raste, oder dessen Preise. Irgendwann gegen elf Uhr Nachts war man mit eingeklemmtem Arsch dann daheim. Das heißt fast, noch mal locker 8km gefühlter Fußmarsch ins Bett, aus dem es aber ein Erwachen gab. Obwohl ich mich schon manchmal frag wieso. Wahrscheinlich der Gefühle wegen. Das wars, Nacht! Und noch einmal danke an die Posse.

Fotos 1/2/3
kraak
faro keine seite gefunden.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

jaaaaaaaaaaa,super wars!
Besonders die total besoffene hippie-frau auf der monitor-box!
Bremen ist eben doch toll, bei so Kumpels...

Anonym hat gesagt…

einen schönen flow hat dieser text. fast wie dabeigewesen.

Anonym hat gesagt…

und kein sterbenswörtchen vom soldatenfriedhof!

aristid kuwalda hat gesagt…

kommt noch.

Anonym hat gesagt…

Hab heute 1x herzlich gelacht (und einmal nachgedacht). Nur hier. Tolle Rückschau und super Gedanken.
Was ich doch für tolle Leute kenne....

oullmann hat gesagt…

kühl

Pjotr Pimmelow hat gesagt…

was ist arbeiter kampf gruppen? is das was schlimmes?!