Heute wird es mal Zeit, das Interview mit Christian Gierden aka Karl Marx Stadt für den Gluediver rauszukramen. Das Interview entstand 2011 in Vorbereitung auf einen Artikel den ich für´s Skug geschrieben habe. Leider gibt es den Artikel immer noch nicht online zu lesen. Was vor dem Hintergrund, dass die Schreiber des Skugs alle ehrenamtlich schreiben, wenig verständlich wird. Aber deshalb vlt umso besser, wenn hier jetzt wenigstens das Interview nachgelsen werden kann, das in dem Artikel auch nur auszugsweise abgedruckt war. Das andere Interview mit Istari Lastefahrer ist dagegen schon seit Jahr und Tag hier nachzulesen gewesen. Und das bleibt natürlich so. Insofern kommt, um Christian zu zitieren, erst jetzt wirklich zusammen, was zusammen gehört. Und um noch etwas oben rauf zu packen, habe ich eine bisher nicht gezeigten Plakat Entwurf von Steffen Ullman rausgekramt, der leider nicht für das Un/Rave damals in Oldenburg und Bremen zur Verwendung kam. Und jetzt kann ich es ja schreiben, eigentlich nur aus Angst, dass es wieder kein Bremer schnallt und die Hütte leer bleibt. Aber jetzt hier ist ein guter Ort. Ein Zine von Steffen habe ich übrigens gestern für mein Zinecerely Yours Blog renzensiert.
Vlt. ein kurzer Abriss was seit dem passiert ist.
Christian wurschtelt immer noch in seinem Job. Ich habe aber etwas über einen Wohnungswechsel nach Leipzig flüstern hören. Was ich als Neu Berliner natürlich schade finden würde.
Seit kurzem gibt´s sein Label Karl Marx Land, auf dem dann Christian auch gleich mal unter dem Synonym Coco Lowres eine Single rausgehauen hat. Die Musik passt ein bisschen zu dem Plakat, oder? Das Design zur Platte und Label kommt aber hier her.
Seit kurzem gibt´s sein Label Karl Marx Land, auf dem dann Christian auch gleich mal unter dem Synonym Coco Lowres eine Single rausgehauen hat. Die Musik passt ein bisschen zu dem Plakat, oder? Das Design zur Platte und Label kommt aber hier her.
Die Single habe ich bisher leider auch nur in dem Snippet hören können. Die Platten von Multiparas Lux Nigra (s. Interview) dagegen, sind – jedenfalls zum Teil – im Mailorder von Felix wieder aufgetaucht. Alle mal besser, als in irgendeiner Küche zu vergammeln.
gl:
Die
letzte Karl Marx Stadt Platte (12") ist von 2005 und das letzte von den
Suckers kam um 2009 heraus bzw. die letzte EP 2007. Seitdem war´s relativ
ruhig. Brauchte es solange, bis du wieder Material hattest oder hat die Lust gefehlt?
kms:
Ich
hab eigentlich immer weiter Sachen gemacht. Es kam ja auch fast jedes Jahr ne
kleinere Platte raus. Und es gibt auch nach wie vor noch mehr Material.
Aber
das zweite Album ist bekanntlich das schwerste. Nach einigem hin und her ist
nun endlich Sozialistischer Plattenbau Hamburg auf den Hund gekommen und nun
gibt's gleich eine Doppel LP. Manche Titel sind auch schon etwas betagt,
allerdings sehr schön gealtert, finde ich. SPB haben dann einfach geschaut,
dass auch genug neues Material drauf kommt. Aber da gab's wie gesagt keinen
Mangel.
Auf
eine Suckers EP hätte ich schon Lust gehabt. Aber selbst Labels die noch
halbwegs laufen, lassen sich nicht mehr hinreißen eine ganze 12" mit uns
zu machen.
Und
so konnte ich mich endlich mal drauf konzentrieren die wirklich verdrehten
Sachen, jenseits von hart und Break, rauszulassen.
gl:
Was
ist aus Lux Nigra geworden? Wäre das nicht eine Möglichkeit für Lux Nigra gewesen,
aus dem Schlaf zu erwachen?
kms:
Gute
Frage. Fragt Multipara auf http://luxnigra.de/
Wir
wohnen nicht weit voneinander entfernt. Er hat glaub ich immer noch hunderte
Lux Nigra Platten in der Küche zu stehen. Vielleicht kauft die Ihm einfach mal
jemand ab. Aber ob er Lust hat noch mal anzufangen, weiß ich nicht.
gl:
Wie
kam es dazu, dass du jetzt bei Sozialistischer Plattenbau veröffentlichst? Macht
der Wechsel zwischen den beiden Labels für dich einen Unterschied?
Sag
jetzt nicht eines gibt´s noch, das andere nicht!
kms:
Ich
habe lange gesucht bis ich jemanden gefunden habe, der so eine Platte machen
kann und auch mit ganzem Herzen dran hängt. Die Labels sind fast gleich alt.
Lux Nigra hatte ein sehr weit gefächertes Programm mit vielen Künstlern, einem
irre hohen Qualitätsstandard, das viel Aufmerksamkeit auf Artwork gelegt hat.
Sozialistischer Plattenbau begann eigentlich fast als Autorenverlag und hat
sich dann langsam für andere Künstler stark gemacht. Ich habe nun die Ehre
deren Klangspektrum mal ganz anders zu bereichern. Vor allem sind bei Lux Nigra
von Anfang an auch Alben erschienen, das gab's bei SPB bisher noch nicht.
gl:
Vor
einigen Jahren hätte man dich mit der Breakcore Szene assoziieren können. Diese
existiert heute nicht mehr wie in den Nuller Jahren. Fühlst du dich noch einer
Szene verbunden und welche Folgen hatte für dich dieser „Umbruch“(wenn es denn
einen gibt/gab)?
kms:
Am
Anfang hieß das ja noch nicht so. Dann hab ich das ganze Theater eigentlich
auch total gerne mit gemacht. Ich hab auch wahnsinnig viel gelernt von den
ganzen Jungs und Mädels, Papis, Mamis, Kindern, Katzen, Hunden und dem Knattermusikliebhaber
aller Herren Länder vereinigen sich. Das ist eine Aufbruchsstimmung gewesen, von
der man wunderbar inspiriert werden konnte. Viele verschiedene schräge
Musikstile trafen aufeinander und existierten parallel am selben Abend.
Es
gab halt so viel schräges Zeug, man konnte auch noch nicht im Internet
nachgucken was es da alles gibt. Dann kam das Internet und auf einmal konnte
man alles nachgucken und runterladen und alles was einem einfällt in den
Sampler packen und ordentlich dran rütteln. Das musste dann auch erst einmal
gemacht werden. Da haben natürlich auch gerne alle mit angepackt.
Das
ist jedenfalls etwas, was ich bis heute noch gerne mache, so kleine Samples
verstecken. Auf diesem Album sind bestimmt einige Hundert ganz ganz kurze Sounds
drauf, die man irgendwo auf einer obskuren oder nicht so obskuren Platte
wiederfinden kann. Das hat mir selbst immer Spaß gemacht, rauszufinden wo was
herkommt, wer was gesampelt hat und womit und wieso und wer das dann wieder
verwurschtelt oder geklaut hat. Also abgesehen von den ziemlich vertrackten
Rhythmuskonstruktionen sind dann auch immer wieder kleine Überraschungen
versteckt.
Jedenfalls
war's irgendwann nicht mehr interessant. Alles war schon mal verwurschtelt
worden. Naja eigentlich denke ich, wie verwurschtelt wurde, ähnelte sich mehr
und mehr.
Andere
fingen an ganz massiv Synthesizer am Computer zu programmieren oder auch
richtige Synthesizer zu kaufen und so teilte es sich vielleicht ein bisschen
auf in Samplegewurschtel und Synthiegewurschtel. Die Synthiefraktion hat sich
ganz abgespalten, weil sie Erfolg haben wollte oder hatte und auch mal was
anderes als 300bpm Zeugs machen. Die Sample Fraktion streitet sich glaub ich
jetzt noch was cool ist und was nicht.
Die
Konsequenz für mich ist: Ich sitze gut 15 Jahre später auf einem Haufen
Elektronikschrott, von dem ich mal gelernt habe wie man damit Musik macht. Also
warum nicht einfach das machen, anstatt immer wieder den gleichen Breakbeat in
den Sampler zu laden?
Von
daher darf es mir eigentlich auch egal sein, was irgendwelche Szenen machen. Obwohl
es da jüngst auch wieder interessante Sachen gibt.
gl:
Aber
gehen mit der fehlenden Szene nicht auch die Möglichkeiten aufzutreten zurück bzw.
Platten zu verkaufen? (Es gibt Marx sei Dank, ja immer wieder irgendwo
interessante neue Szenen. Die Wartezeiten dazwischen sind hart. Jetzt muss man
erst einmal warten bis Dubstep so richtig ruiniert ist.) [Kommentar 2013: Das
dürfte sich ja spätestens 2012 erledigt haben.]
kms:
Klar,
aber die "Szenen" waren ja auch alle mal klein und wurden dann erst
groß, weil sich alle so liebevoll drum gekümmert haben.
Ich
werde mich nicht drüber aufregen, dass alle in der U-Bahn auf ihr Smartphone
starren, anstatt miteinander zu reden. Gegen Musikbegeisterte die zu Ihrer Lieblingsmusik
miteinander eine Party feiern wollen, ist jedenfalls noch kein Kraut gewachsen.
Ich
hab eine lange Zeit viel in solchen Szenen zugebracht und mich da auch viel
fertiggemacht für. Das hat mir nur bis zu einem gewissen Grad gut getan. Ich
fange es jetzt einfach noch einmal von vorne an. Bis jetzt ist die Resonanz
sehr gut. Im Moment sehe ich mich einfach in 3 oder sogar 4 verschiedenen
Szenen untergebracht. Ist ja eh quatsch, so ein Modewort, dem man hinterher rennt.
gl:
In
einem früheren Gespräch zwischen uns beiden, hattest du den Projektcharakter
von KMS betont. Jetzt ist es quasi ein Soloprojekt. Die Suckers existieren auch
nicht mehr?! Ist das ein Paradigmenwechsel?
kms:
Vielleicht
im Sinne einer anderen Betrachtungsweise. Aber die Musik kommt ja trotzdem aus
mir heraus, da bin ich egoistisch geblieben. Die Suckers sind super, aber haben
es einfach nicht geschafft so schnell so viel aufregende Musik zu machen, wie
ich solo. Da sind wir uns auch nicht böse. Nach fast 15 Jahren haben wir auch mal
Abstand gebraucht. Basti ist immer noch verdammt Bombe als DJ. Er macht jetzt allerdings
auch seine eigenen Studiosachen. Wer weiß, wann da nicht vielleicht endlich mal
ein Vinyl Release kommt. Im Internet kann man ihn hören als WASTED ACID FORCE.
Mir gefällt's ganz gut, 100% Analog produzierte Musik. Wenn's irgendwann wieder
so weit ist, wird es ganz sicherlich auch ganz wilde Liveshows geben.
(Am
12.11.11 gibt's übrigens ein seltenes Highlight: Karl Marx Stadt Live und DJ
Nishinga im MRK in Blankenburg.)
gl:
Die
neue Platte klingt "homogener" oder wie aus einem Guss. Ziel, Zufall
oder Resultat einer Einzelarbeit?
kms:
Wen
nennst Du hier Gentechniker, das ist alles organisch gewachsen.
Ob
das Weltall mit mir irgendwas vorhatte als es mich so gemacht hat, weiß ich
nicht. Jedenfalls habe ich diesen Schaden und der hört sich dann so an.
Das
mit der Jahreszahl ist jedenfalls kein Witz. Der älteste Track ist von 1999,
der neueste von letztens.
gl:
Umso
verblüffender.
kms:
Das
ist alles so subjektiv. Neu ist glaub ich, dass es eigentlich recht friedlich
ist insgesamt. Die richtig derben Klopper sind halt nicht dabei, das stimmt
schon. Ich glaube bei der Platte ist es so, dass es sich in alle Richtungen
etwas weiter aus dem Fenster lehnt, und das haben die Stücke gemeinsam. Das
wollte ich unbedingt mal machen – ganz viele eigentlich seltsame Stücke, die
nur zusammenhalten weil sie alle so auseinanderfallen.
Ich
habe halt jahrelang auch weitergebastelt an Songs, die eigentlich auf keinem Dancefloor
funktionieren müssten. Tun sie ja dann aber doch. Und da sind sie nun. Sie
haben weder Tempo noch Tonlage gemeinsam, sondern nur, dass ich getan habe was
ich tun wollte.
gl:
Auf
einem der Labelfotos inszenierst du dich als eine Mischung zwischen Mozart und
Beethoven, beides Musiker Genies. Du stapelst nicht tief oder?
kms:
Ja
genau, pures Understatement.
Genau
genommen kann ich gar nichts, außer wirklich sehr sehr genau darauf hören was
mir meine Fantasie eingibt. Ich bin ja so eine Art Forscher, ich suche etwas
das es nicht gibt.
Eigentlich
geht es auch nur um Unsterblichkeit.
Richtig
richtig gute Musik gibt einem dieses Gefühl, dass einem keiner was kann. Dann hat
man keine Angst vor dem Tod und keine Angst vor irgendetwas. Das ist wahre
Musik.
Diesen
Willen zur Unsterblichkeit, sowie meine Stumpfheit hab ich schon von Beethoven
geerbt.
Im
Ausland kriegt man gerne mal so was gesagt wie: "You sound so unbelievably
german". Ein bisschen bin ich auch stolz darauf, dass ich schon als Kind
so größenwahnsinnige Musik gut fand.
Mein
erstes großes Opernerlebnis war ja recht früh.
gl:
Ist
Beethoven ein direkter Vorfahre?
Bzw.
ist diese Performance auch eine Antwort auf heutige Fragen? Oder hattest du
irgendwann einfach kein Bock mehr in Sneakers und Hoodie auf der Bühne zu stehen
und hast dann angefangen an dir rumzuspielen?
kms:
Haha, nein. Meine Eltern waren beide Musiker
und ich habe einfach meine ganze Kindheit und Jungend in Kirchen und
Opernhäusern zugebracht.
Ich
möchte mit allen Leuten das Gefühl teilen, das ich empfinde. Ich kann auch
einfach nur die Arme in die Luft reißen. Aber der psychotische Komponist ist
für mich ein schlüssiges Bild. Ein wahnsinnig gewordener Komponist, der direkt
aus dem 18. Jahrhundert gekommen ist um den wildesten Scheiss vorzuspielen. Man
stelle sich vor, Mozart würde Laptopschreddermusik vorgespielt bekommen, in der
hier und da musikalische Fetzen zu entdecken sind.
Mir
fehlt halt etwas in der aktuellen Musik, sich was zu trauen und was anderes zu
machen. Und vor allem das Gefühl vermittelt zu bekommen, dass sich Mühe gegeben
wurde. Man höre sich diese ganzen Sachen an, die so released werden. Wo sind da
die wirklichen Virtuosen in dem Brei? Wer von denen kann wirklich was und traut
sich auch das so zu machen, wie er will?
Und
letztlich es auch ein bisschen ein Statement gegen cheapness vielleicht. Ich
hab einfach diese Mentalität satt, dass man so wenig wie nötig tun muss, um
maximalen Erfolg zu erzielen.
gl:
Was
würde Marx von deiner Musik halten?
kms:
Auf
was stand der denn so? Das müsste man mal rauskriegen!
Ich
kann mir nicht vorstellen, dass er das als Musik wahrgenommen hätte. Oder
anerkannt hätte.
gl.
Du
unterschätzt ihn da!
Stimmt
es das du als Kind drauf bestanden hast Keyboard zu lernen? (statt Klavier oder
so)
kms:
Ich
kann mir vorstellen, dass er es sicherlich als Kritik an der Entmenschlichung
einer Industrialisierten Welt akzeptieren würde, vielleicht wär es ihm auch zu
flach.
Leider
wollte ich gar nicht Keyboard lernen, sondern irgendwas und irgendwas war dann
Waldhorn. Das war aus verschiedenen Gründen nicht die beste Wahl. Klavier wär
besser gewesen, aber auch anstrengender.
gl:
Musik
wie die von dir bezeichne ich als Pop zweiter Kategorie, weil sie nicht für den
Mainstream produziert ist aber auch nicht im Kontext von klassischer Musik
vollkommen aufgeht. Entsprechend schwer sollte es für dich sein von deiner
Musik zu leben. Wie schlägst du dich so durch?
kms:
Ich
muss mein Geld woanders herbekommen und gehe arbeiten.
Aha.
Erzähl mir mehr davon. Klingt gerechtfertigt aber auch irgendwie abwertend, was
fällt da noch so für Dich rein? (Warum frag ich überhaupt.) Und warum geht das
nicht im Kontext von klassischer Musik vollkommen auf. Klassik im Sinne von
Klassik?
gl:
Die
Unterschiede von E und U, hab ich ja nicht gemacht. Und du bekommst sicherlich
keine Förderung, wie diese ein klassisches Orchester erfährt.
Pop
2 ist jedenfalls nicht abwertend gemeint. Pop 1 bezieht sich vermutlich auf die
historische Entwicklung der Popmusik. Die Mischformen hat man möglicherweise verschwiegen
und als man sie dann benennen wollte, weil sie nicht länger zu leugnen waren,
blieb Pop 2.
Die
weiterführende Frage ist aber, wie organisierst du deine Arbeit als Musiker,
wenn du dann noch schuften musst. Bzw. braucht das eine vielleicht das andere
über die monetäre Bedeutung hinaus?
kms:
Ich
habe auf jeden Fall verstanden, dass Musik machen Zeit braucht, und das man
Zeit nicht hat, sondern sich nehmen muss. All die schönen Spinnereien zu denen
ich früher Zeit hatte, finden jetzt nur noch sehr komprimiert statt.
Manchmal
hätte ich auch Lust ein größeres Setup zum Konzert mitzubringen, das wird dann
aber meistens nix, weil man zumeist alleine sein Zeug tragen muss. Im Moment
stehe ich darauf einen alten und einen neuen Computer dabei zu haben. Vielleicht
einen oder 2 Effekte.
Zu
Haus hab ich ein voll verkabeltes Studio, das Tag und Nacht auf mich wartet und
einen Raum in dem ich mich entspanne und Klavier spielen kann. Das tut mir
beides sehr gut.
Eigentlich
fange ich sofort an zu komponieren, sobald ich ein Aufnahmegerät oder einen
Sequenzer anschließe.
gl:
Schreibst
du Partituren?
kms:
Leider
nein. Das hab ich aber auch nie gelernt.
Eine
Variante ist, ich spiele was am Klavier, nehme das auf und überleg mir was
weiter passieren soll.
Eine
andere ist, ich nehme irgendeine Maschine, spiele da etwas hinein, baue dann
darauf auf und fülle solange alle Spuren bis mein Mischpult nicht mehr
ausreicht.
Entweder
ich bin dann happy und hab Lust auf längere Passagen oder es war nix und ich
versuch was anderes.
Oder
ich fang einfach wie wild an den Computer zu befüttern, das geht natürlich
auch.
Im
Moment hab ich allerdings viel Spaß am Klavier, weil es einfach schön ist neue
harmonische Zusammenhänge zu verstehen.
Ich
hätte das mal irgendwann in der Musikschule verstehen sollen, aber erst jetzt
dämmert's.
gl:
Noch
ein Nachtrag zum arbeiten vs. musizieren. In der DDR wäre deine Arbeit eine Bitterfelder
Lesefrucht für den Bereich der Musik gewesen.
Wie
viele deiner Familienmitglieder haben eigentlich den Karl Marx Orden bekommen?
(abgebildet auf der KMS 97-11 bei Lux Nigra.
kms:
Das
weiß ich nicht. Die meisten sind tot. Ich hab aber die Dinger bei den Eltern
von Freunden rumliegen sehen. Sind auch einfach weggeworfen worden.
Bitterfelder
Lesefrucht. Super. Danke!
gl:
Geht
der Karl Marx Stadt Bezug über einen nostalgischen Wert hinaus?
kms:
Leider
hab ich's nicht im Ausweis stehen, weil ich aus Leipzig bin und es gibt
sicherlich noch vielmehr Potenzial aus dem Namen zu ziehen.
Ich
bin eigentlich auch nicht alt genug, um Musik über Karl Marx Stadt zu machen.
Aber
ich bin in Chemnitz aufgewachsen, und meine Musik ist zutiefst innerster
Ausdruck meiner Jugend in der Stadt. Es gibt vieles wofür ich dankbar bin, aber
auch Umstände, mit denen ich dort einfach nicht umgehen kann.
Es
ist ja keine Nostalgie im Sinne eines geschönten Rückblicks, sondern durchaus
eine Gewisse Hassliebe zu der Stadt. Warum benennt sich meine Heimatstadt
einfach um? Was wird für die Jugendlichen getan? Warum gibt es so viele Rentner
und warum nehmen die sich so viel raus?
Ich
bewundere die Leute die dageblieben sind und dort etwas aufgebaut haben. Viele
davon haben einen Anteil daran, dass ich solche schrägen Töne mache.
gl:
Gibt
es noch viele Verbindungen nach Chemnitz, wann hast du das letzte Mal dort gespielt?
kms:
Immer
Heiligabend im Weltecho, früher im Kapital und im VOXXX, seit glaub ich 10
Jahren.
Ich
mag halt gerne meine Freunde sehen, ansonsten halte ich's da nicht aus.
gl:
Ist
das bloß Geroyche oder noch andere Leute?
kms:
Chemnitz
hat für eine mittelgroße deutsche Stadt wirklich erstaunlich viele kleine
Szenen. Manchmal kann man sich vor Partys nicht retten. Es gibt Ragga und
Reggae mit Sensi Movement, Reggae und Hiphop mit Phlatline Sound, Kode Dubstep
mit Geroyche & Motorv8a, Jungle mit D.i.S., Drum and Bass mit Dead
Metropolis. Alle haben Foren am Start und eine Fangemeinde. Alle machen Radioshows
und Mixe. Es gibt auch gabber, techno und house crews, bands und alles.
Das
kann aber leider trotzdem meistens nicht gegen irgendwelche 10Floor Schlagerkommerz
Partys für Studenten an.
gl:
Fehlt
IDM, vielleicht solltest du doch zurück?
Gegen
die Studies kommt man letztlich nicht an.
Aber
woher kommt das Marx Bild auf dem Cover, ist das die Büste aus London/Highgate?
Welche Verbindung besteht zu asiatischen Schriftzeichen?
kms:
Vom
Grafiker von SPB. Ich glaube, das ist der Blickwinkel vom Dach der Diskothek
Starlight in Chemnitz gegenüber vom Marx. Und das ist mal nicht der freundliche
milde gestimmte Papiblick, den man als normaler Mensch hat, sondern der strenge
Vater der einem Auge in Auge etwas ernstes sagt. Da drunter steht Karl Marx
Stadt auf chinesisch.
gl:
Ist
das Bild und Schrift auf deinen Wunsch hin auf dem Cover?
kms:
Ja,
die meisten Menschen wohnen halt in China und für die müsste Marx eigentlich
ein Thema sein. Ist es aber nicht, wenn man den Medien glauben kann.
gl:
Die
haben doch mehr als eine Sprache?!
kms:
Ja,
das war ein Problem. Ich hoffe es ist trotzdem zu verstehen. Jedenfalls habe
ich großen Respekt für den Beitrag Asiens an der Zivilisation und wollte auch
mal zurücknicken und danke sagen. Japan hat ja nun mit Karl Marx gar nix zu tun.
Obwohl ich eigentlich ein großer Japan Fan bin.
Vielleicht
hätte ich die Platte Karl Marx City nennen müssen.
gl:
Es
gab auch in Japan eine große KP, meines Wissens. An deinen Japan Fimmel, glaube
ich mich auch noch erinnern zu können. Andererseits, wer hat den nicht?
Vorletzte
Frage. Sowohl der Begriff Karl Marx Stadt als auch der Name sozialistischer
Plattenbau beziehen sich auf Projekte des real existierenden Sozialismus. War
dir das bewusst, habt ihr das mal thematisiert du und Felix (Der Lasterfahrer
bei Sozialistischer Plattenbau)?
kms:
Hach,
wenn wir mal Zeit hätten. Ich muss Ihn unbedingt mal besuchen. Ich bin ja der Ossi
und er der Wessi. Mal sehen was es da eigentlich zu sagen gibt.
Ansonsten
vielleicht: da wächst endlich zusammen, was zusammen gehört.
gl:
Solltest
du Pläne machen, welche sind das für die Nähere Zukunft? Hoffentlich nicht erst
in fünf Jahren ne Doppel LP!
kms:
Die
nächste Platte ist eigentlich schon im Kasten. Fragt sich wer die rausbringt.
Aber wird es geben. Nach wie vor heiß und zu haben ist meine Zusammenarbeit mit
LXC aus Leipzig – SPACEFUCK auf SPACEFUCK, mit den Titeln SPACE und FUCK. Die
haut auf jeden Fall richtig gut rein, wenn man's doch doll wollte. Ansonsten
wird's sicherlich auf Alphacut oder Alphacute weitergehen. Und ich bin ja bei
den SKWEEE Brüdern mit dabei auf HARMÖNIA Records.
Sonst
kommen jetzt auch erst einmal ein paar Konzerte.
gl:
Möchtest
du abschließend auf die Frage antworten, die ich deiner Meinung nach vergessen
habe zu stellen?
kms:
Mit
Impulse Tracker!
gl:
Wie
findest du Sunvox?
kms:
Ist
halt mehr so'n insider.
…zu
klein fürs Display am 3g, ganz nett am Computer aber unmöglich zu Händeln.
Tracker ohne Tastatur ist wie Burger ohne Brötchen.
gl:
Also
dann, vielen Dank.
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