Dienstag, 15. Januar 2013

wir wissen nichts



Mit diesem Thema tue ich mich nicht leicht. Denn wir wissen nichts und sind doch zum sprechen gezwungen. Wir wissen gar nichts und werden nichts wissen können. 
Dennoch ist es mir selbstverständlich  die Vergewaltigung der jungen Inderin, die Ende Dezember an ihren schweren Verletzungen gestorben ist, für ganz und gar verabscheuungswürdig zu halten. Und ich tue mich sehr schwer mit solchen Worten und nutze sie weniger als selten. Man(n) will sich vor solcher Grausamkeit vor Abscheu abwenden aber zu Recht verfolgt sie ein. 
Solche und ähnliche Grausamkeiten lassen sich nicht verstehen und trotzdem müssen wir versuchen sie uns zu erklären. Ein Stück weit. Dies kann dieser Artikel selbstverständlich nicht leisten (dazu später) aber ich möchte doch auch diesen Raum nutzen, ein paar meiner Gedanken zu strukturieren aber auch zur Diskussion zu stellen. Ich kann nicht verstehen, brauche aber eine Erklärung.
Was meine ich damit, das eine solche Tat sich nicht verstehen lässt? Notwendigerweise sind wir tunlichst darum bedacht, die Differenz zwischen Realität und Phantasie aufrecht zu erhalten. Und dies in zweierlei Richtungen. Zum einem, um die primären Trieben (Hier ist NICHT NUR der Sexualtrieb gemeint.) in Grenzen zu halten oder zu setzen. Aber auch um der narzisstischen Kränkung zu entgehen, die jede solcher Taten eben auch bereit hält. 
Diese Vorgänge geschehen zumeist vorbewusst. Insofern ist der Verstand auch nicht dazu in der Lage, die Grausamkeit vollständig abzubilden.
Aber was meine ich mit, "trotzdem müssen wir versuchen sie (die (sexualisierte) Gewalt) zu erklären."?
Auch hier sind zwei Denkweisen eingeschlossen. Nämlich den Fakt, das alle Welt (denn dies ist tatsächlich ein globales Ereignis) aus dem eben benannten Grund, gerade dies tut. Oder sich daran versucht. 
Aber auch, und dies ist wohl der vordringlichere Grund, ähnliche Taten zu verhindern.
Ich kann und will das aber hier und jetzt nicht tun. Ich bin weder ein Indienexperte (wenn es diesen bräuchte), noch kenne ich ausreichend den konkreten Fall. Und selbst wenn dem so wäre, bliebe wohl trotzdem ein Rest Unzufriedenheit.
Mir ist es dagegen wichtig, den Blick für die Rezeption solcher Taten zu schärfen und Fragen zu provozieren, statt mit Allgemeinplätzen zu antworten. Auch um darüber hinaus lokale Medien kritisieren zu können oder aber die eigenen affektgeladenen Gewissheiten potentiell zu erschüttern.
Ausgangpunkt meiner Überlegungen war ein Bericht, in dem man fast ausschließlich hat Männer protestieren sehen. Ist das ein Problem? Wenn dann wohl ein weit zurück gestelltes, vor dem konkreten Fall. Vlt. ein paternaler Reflex einer Gruppe Inder oder die schlechte redaktionelle Leistung eines Cutters oder Kameramanns? Ich musste aber zunächst daran denken, dass über den Fall viel mehr verhandelt wird. Also dass Einzelinteressen von verschiedenen BewegungsteilnehmerInnen durchaus über den eigentlichen Anlass hinausgehen können und dies wahrscheinlich auch tun. Aber auch, dass dieser Fall durchaus etwas erregt, das ich behilfsweise als nationales oder auch westeuropäisches Wir bezeichnen würde. 
Und um beim letzten Punkt und meinen zentralen Thema zu bleiben: ich habe generell das Gefühl, das wir vor dem Hintergrund unseren moralischen Überzeugungen zu wenig hinterfragt lassen, welchen aktiven Teil wir an einer längst globalisierte Kultur haben. Und wie wir aber gleichzeitig die damit verbundene Verantwortung oder auch nur Rezeptionsweise, nicht selten qua kultureller Zuschreibungen, zurückweisen. 
Ich, so muss ich zugeben, informiere mich momentan vor allem über das Webangebot der Tagesschau und dem Deutschlandradio
Hellhörig bin ich geworden, als ich den Beitrag hier unten beim Deutschlandradio gehört habe. Vermutlich wird es vielen anderen auch so gehen, weil hier Widersprüche, im Sinne von Widerworten zu hören sind. Das Unwohlsein der Moderatorin ist durchaus spürbar und die argumentative Entkräftung kultureller Klischees, durch den Interviewten Raj Kamal Jha, ist ja quasi selbstredend, aber im deutschen Rundfunk in seiner Direktheit nahezu beispiellos. Ich meine, dass dies einer der seltenen Momente ist, wo etwas Festgefügtes aufbricht. Deswegen hier auch besprochen.
Aber auch das eindringliche Foto oben spricht laut und vieldeutig. Die Annahme, dass es sich bei der Frau um eine Inderin handelt, fand ich zunächst naheliegend. Es muss aber keineswegs so sein, bzw. muss sie sich nicht zwangsläufig in Indien aufhalten. Aber vlt. eben doch. Denn das Bild der Frau mit dem englischsprachigen Plakat, kann eben genau für die Klasse der InderInnen stehen, der das Opfer (eine Studentin) gemeinhin zugeordnet wird. Dass das Plakat englischsprachig verfasst wurde, wäre wohl ein Hinweis, dass der globalisierte große Andere dann sehr wahrscheinlich englisch spricht. Eine Delegation, die es eher anzunehmen als zurückzuweisen gelte.
Ich habe bisher kein gutes Schlusswort oder eine zwingende Einsicht. Vielleicht schreibe ich auch noch einmal weiter oder um...
Alles besser als ein solches Thema abzuschließen...

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